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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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war zu etwas geworden, das ihn nichts anging.
    Billy T.s Liebe zu Grünerløkka machte sich an den Gebäuden fest. An den Häusern, ganz einfach, den alten Mietskasernen. Unterhalb der Grüners gate standen sie auf Lehmboden, und ihre Fassaden waren von Rissen durchzogen. Als Kind hatte er geglaubt, die Häuser hätten Falten, weil sie so alt waren. Er liebte die Straßen, vor allem die kleinen. Die Bergverksgate war nur einige Meter lang und endete am Hang vor dem Akerselv. Die Strömung kann dich mitreißen, erinnerte er sich; du darfst nicht baden, die Strömung kann dich mitreißen. Jeden Sommer hatte ein roter Ausschlag seine Haut bedeckt. Seine Mutter hatte geklagt und geschimpft und mit wütenden Bewegungen seinen Rücken mit Salbe eingerieben. Trotzdem war er am nächsten Tag wieder in das verschmutzte Wasser gesprungen. Sommer für Sommer. Für ihn waren das großartige Ferien gewesen.
    Das Entré lag an der Südwestecke der Kreuzung zwischen Thorvald Meyers gate und Sofienberggate. Ein Laden mit altmodischen Damenkleidern, die nie verkauft wurden, hatte der Schickimickisierung der Gegend viele Jahre lang widerstanden. Aber am Ende hatte das Kapital doch den Sieg davongetragen.
    Er saß allein an einem Tisch bei der Tür. Selbst an einem Montag war das Restaurant voll besetzt. Das provisorische Schild an der Tür war mit Filzstiften geschrieben, die Farbe hatte sich durch das Papier gedrückt. Billy T. konnte den Text von seinem Tisch aus in Spiegelschrift lesen.
    UNSER CHEFKOCH BREDE ZIEGLER IST VON UNS GEGANGEN. ZUR ERINNERUNG AN SEIN LEBEN UND SEIN WERK IST DAS RESTAURANT ENTRÉ HEUTE GEÖFFNET.
    »O verdammt«, sagte Billy T. und schlürfte ein Stück Eis in sich hinein.
    Er hätte hier nicht sitzen dürfen. Er hätte zu Hause sein müssen. Auf jeden Fall hätte Tone-Marit dabeisein müssen, wenn er ausnahmsweise einmal im Restaurant aß. Sie waren seit Jennys Geburt nicht mehr zusammen ausgegangen. Seit fast neun Monaten also.
    Ein Backenzahn tat schrecklich weh. Billy T. spuckte das Eisstück in eine halbgeballte Faust und versuchte, es unbemerkt auf den Boden fallen zu lassen.
    »Stimmt etwas nicht?«
    Der Kellner deutete eine Verbeugung an und stellte ein Glas Chablis vor ihn hin.
    »Nein. Alles in Ordnung. Sie … Sie haben heute geöffnet. Meinen Sie nicht, daß das auf viele … anstößig wirkt, irgendwie?«
    »The show must go on. Brede hätte das so gewollt.«
    Der Teller, der eben vor Billy T. gelandet war, sah aus wie eine künstlerische Installation. Billy T. starrte die Mahlzeit hilflos an, hob Messer und Gabel und wußte nicht, wo er anfangen sollte.
    »Entenleber auf einem Bett aus Waldpilzen, an Spargel mit einer Andeutung von Kirsche«, erklärte der Kellner. »Bon appétit!«
    Der Spargel ragte wie ein Indianertipi über der Leber auf.
    »Essen im Gefängnis«, murmelte Billy T. »Und wo zum Teufel steckt die Andeutung?«
    Eine einsame Kirsche thronte am Tellerrand. Billy T. schob sie in die Mitte und seufzte erleichtert auf, als das Spargelzelt in sich zusammensackte. Zögernd schnitt er ein Stück von der Entenleber ab.
    Erst jetzt entdeckte er den Tisch gleich neben der gediegenen Treppe, die in den ersten Stock hinaufführte. Auf einer kreideweißen Decke stand zwischen zwei silbernen Kerzenhaltern ein großes Bild von Brede Ziegler. Um eine Ecke war ein schwarzes Seidenband geschlungen. Eine Frau mit hochgesteckten Haaren näherte sich dem Tisch. Sie nahm einen Stift, der bereitlag, und schrieb etwas in ein Buch. Danach griff sie sich an die Stirn, als sei sie kurz vor dem Weinen.
    »Man könnte meinen, der Kerl wär ein König gewesen«, murmelte Billy T. »Der hat doch verdammt noch mal kein Kondolenzbuch verdient!«
    Brede Ziegler hatte alles andere als königlich ausgesehen, als die Polizei ihn fand. Irgendwer hatte bei der Wache angerufen und ihnen nuschelnd empfohlen, einen Blick auf ihre Hintertreppe zu werfen. Zwei Polizeianwärter hatten sich die Mühe gemacht, diesen Rat zu befolgen. Gleich darauf war der eine atemlos zurück in die Wache gestürmt.
    »Der ist tot. Da liegt wirklich einer. Tot wie …«
    Beim Anblick von Billy T., der nur einige Unterlagen abholen wollte, barfuß und ansonsten nur mit Unterhemd und Shorts bekleidet, war der Junge verstummt.
    »… wie ein Hering«, hatte Billy T. für den jungen Uniformierten den Satz vollendet. »Tot wie ein Hering. Ich komme gerade vom Training, weißt du. Brauchst mich also nicht so anzuglotzen!«
    Diese Szene lag
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