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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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sich mit aller Macht gegen Severins Versuch wehren, ihr Glühwein mit Rosinen und Mandeln einzuflößen. Anita Skorgan war bei Stille Nacht angekommen, und drei Polizeianwärter hinten am Tisch stimmten ein.
    Hanne schnappte sich die Briefumschläge. Ihre Finger zitterten, als sie den ersten öffnete. Niemand achtete auf sie. Sie breitete die Bilder vor sich aus, wagte aber kaum, sie anzusehen.
    Die Fotos mußten im Herbst gemacht worden sein. Das Gras war verwelkt, aber noch immer leuchtete in den braungelben Flächen hier und dort eine halsstarrige rote Blume. Der Himmel hing tief und war grau. Die Bilder waren vermutlich allesamt am selben Tag gemacht worden. Hanne ahnte Regen in der Luft über dem mit Kies bestreuten Innenhof. Der gesichtslose Gnom, der von Süden her zur Kapelle schaute und den sie jedesmal auf dem Weg dahin gestreichelt hatte, trug einen feuchtdunklen Hut.
    Die Villa Monasteria war fotografiert worden, während sie sich dort aufhielt. Ihr aber war nicht das geringste aufgefallen. Allmählich wurden ihre Hände ruhiger.
    Daniel würde das Kloster erben. Es war nur noch ein DNS-Test nötig, dann würde ein Viertel von Bredes Hinterlassenschaft ihm zufallen, wie Annmari ihr am Morgen erklärt hatte. Hanne hatte darin eine Art Trost gesehen, auch wenn alles Geld der Welt die Tatsache, daß Taffa ins Gefängnis mußte, nicht ausgleichen konnte. Der Junge war untröstlich. Er hatte über zwei Stunden in ihrem Büro gesessen. Er hatte nicht viel gesagt, aber auch nicht gehen wollen. Am Ende hatte er sich mit steifen Bewegungen erhoben und ihr die Hand gereicht. Als er ihr fröhliche Weihnachten wünschte, hatte sie keine Antwort herausgebracht.
    Daniel Åsmundsen würde bei der Villa Monasteria kein Schwimmbad bauen. Er würde den Teich mit dem glasklaren Wasser lieben. Vielleicht hatte auch er noch nie von Frischwasserkrabben gehört. Er würde durch das Bambuswäldchen schlendern; grüne Stämme auf der einen Seite, schwarze auf der anderen. Und dann würde er sich auf die Mauer vor dem ovalen Teich setzen und die Karpfen beobachten, diese trägen Faulenzer, die plötzlich und blitzschnell Ausfälle auf etwas machten, das er kaum sehen konnte.
    »Ich wünsche dir wunderschöne Weihnachten, Hanne.«
    Silje küßte sie leicht auf die Haare. Hanne drehte sich halbwegs um, und als Silje ihre Hand nahm, mochte sie sie kaum loslassen.
    »Ich dir auch«, sagte sie leise. »Ich wünsche dir ein schönes Fest.«
    »Bist du heute abend allein?«
    Hanne zögerte, es war, als wollte ihr die Antwort im Hals steckenbleiben. Dann schluckte sie schwer und zwang sich zum sprechen.
    »Nein. Wir sind zu dritt. Meine Liebste, eine gute Freundin und ich. Das wird sicher nett.«
    »Sicher«, sagte Silje. »Da kommt übrigens Billy T.«
    Damit ließ sie Hannes Hand los und ging.
    Die anderen hatten sich, einige recht unsicher, ebenfalls erhoben. Zwei leere Wodkaflaschen standen neben dem Glühweinkessel. Die Kuchenschachteln waren leer, die Kerzen heruntergebrannt. Billy T. schaute sie über Severins Schulter hinweg und zwischen den Köpfen von zwei betrunkenen Polizeianwärtern hindurch an. Sie beachtete ihn nicht. Er zwängte sich an ihnen vorbei und streckte ihr die Hand hin.
    »Ich dachte, du würdest das hier vielleicht haben wollen«, sagte er mit tonloser Stimme. »Es ist doch Heiligabend.«
    Dann drehte er sich um und war so schnell verschwunden, wie er gekommen war.
    Hanne Wilhelmsen wartete, bis sie allein war. Das CD-Gerät war verstummt. Die Polizeikapelle hatte ihre Instrumente längst zusammengepackt. Auch im Hinterhaus herrschte Ruhe; die allermeisten, die sonst in dem riesigen Gebäude zu tun hatten, waren nach Hause gefahren, um Oslo für ein oder zwei Tage seinem Schicksal zu überlassen.
    Sie faltete das Papier auseinander, das er ihr gegeben hatte.
    Es war eine detaillierte Karte des Osloer Ostfriedhofes. Oben in die Ecke, ein Stück von der Kapelle entfernt, neben einem mit einem roten Kreuz und einem winzigen Herzen markierten Grabstein, hatte er geschrieben:
    »Cecilies Grab. Ich habe heute vormittag Blumen und eine Kerze hingebracht. Cecilies Eltern kamen dazu, und sie haben sich darüber gefreut. Ich hoffe, du freust dich auch. Wenn nicht, kannst du den ganzen Scheiß ja wegwerfen. Billy T.«
    Langsam faltete sie die Karte wieder zusammen.
    Es war mittlerweile fünf Uhr nachmittags am Heiligen Abend. Die Kirchenglocken fingen an zu läuten, voll und rhythmisch, überall in Oslo.
    Sie würde auf
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