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Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)

Titel: Das letzte Mahl: Roman (Hanne Wilhelmsen-Reihe) (German Edition)
Autoren: Anne Holt , Berit Reiss-Andersen
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Ziegler hatte Sindre angerufen. Leicht und unbeschwert. Er hatte einen Zug durch die Gemeinde vorgeschlagen. Keinen Restaurantbesuch, es war nicht wirklich eine Einladung gewesen; offenbar hatte Brede nur bezahlen wollen, was er selbst trank. Sindre hatte zugesagt. Vor allem, weil eine Art Neugier stärker war als seine Wut; die Wut, weil Ziegler ihn so ganz lässig und alltäglich anrief, nachdem er ihn um sein Vermögen gebracht und ihm die Verlobte ausgespannt hatte.
    Natürlich hatte Ziegler seine Absichten gehabt. Nach zwei Gläsern hatte er Sindre einen Job angeboten. Erbärmlich bezahlt zwar, aber mit Option auf Aktien einer neugegründeten Gesellschaft. Es ging um irgendein Projekt in Italien. Falls Sindre den Laden auf die Beine brachte, wobei ihm finanzielle Unterstützung und eine ganze Heerschar von Angestellten zugesagt wurden, würde er später ein kleines Vermögen aus der Sache herausholen können. Und dann wären sie sozusagen quitt.
    »Sindre fand das typisch für Brede Ziegler«, sagte Silje. »Für ein Butterbrot und ein Ei wollte er einen tüchtigen jungen Norweger eine Arbeit machen lassen, die vor allem seinen – Bredes – Interessen dienen würde.« Sie schnaubte kurz. »Der Kerl hatte das Ganze genau geplant«, fügte sie hinzu.
    Im sechsten Stock angekommen, beugten sie sich vor, stützten die Unterarme auf das Geländer und schauten nach unten. Die Polizeikapelle spielte inzwischen ein fröhliches Nikolauslied. Hanne entdeckte den Polizeipräsidenten, in voller Uniform. Er verteilte Mandarinen an die Angestellten. Ein Fotograf hüpfte um ihn herum und knipste wie besessen. Der Präsident sah gereizt aus und wandte sich mit verärgerter Miene ab, um einem kleinen Mädchen, das mit einem erwachsenen Mann gekommen war, eine Tafel Schokolade zu reichen. Als er in die Hocke ging, verlor er das Gleichgewicht und riß die Fünfjährige mit zu Boden. Der Fotograf ließ sein Blitzlicht Amok laufen.
    »Lustig, lustig, trallerallera«, sagte Hanne.
    »Sindre hatte am Vortag drei Packungen Paracet gekauft«, erklärte Silje weiter. »Er wußte, daß er dafür in mehrere Apotheken gehen mußte. Aus einem Artikel in Illustrierte Wissenschaft wußte er, daß …«
    Aus einem Artikel in Illustrierte Wissenschaft, dachte Hanne erschöpft und starrte in das Gewühl tief dort unten. Zwei uniformierte Männer hatten den Polizeipräsidenten wieder auf die Beine gestellt. Das Kind heulte wie besessen.
    »Da versucht jemand auf der Grundlage eines grob vereinfachenden Artikels in einer populärwissenschaftlichen Zeitschrift einen anderen umzubringen«, murmelte sie. »Die überraschen doch immer wieder von neuem, was?«
    Sindre hatte mit zwei Pillen in einem Gin Tonic angefangen, im Smuget, noch vor Mitternacht. Zerstoßen hatte er die Tabletten schon vorher. Brede hatte nichts gemerkt. Sindre hatte weitergemacht. Als der Sonntag anbrach, der fünfte Dezember 1999, hatte Brede Ziegler fast dreißig Paracets im Leib gehabt.
    »Das schlimmste ist«, sagte Silje und zitterte leicht, »daß er die fünf letzten Tabletten freiwillig genommen hat. Da saßen sie schon bei Sindre zu Hause und waren beide sternhagelvoll. Brede hatte Schmerzen. Gerade hatte er Vilde als argen Fehltritt oder so ähnlich bezeichnet. Sie verwelkt so schnell … nein: Die Blütenblätter fallen ab. Genau so. So hat er es gesagt. Er hatte die Frau restlos satt, hielt sie für unintelligent. Beklagte sich, daß sie zuviel Drogen einwerfe und nichts tue.«
    »Ich werde nie verstehen, warum er die Kleine geheiratet hat«, sagte Hanne.
    »Ihm selbst ist es wahrscheinlich ähnlich gegangen. Eine Art Krise vielleicht? Er ging auf die Fünfzig zu, und Vilde war jung und schön. Keine Ahnung.« Silje seufzte und biß sich leicht in den Zeigefinger. »Sindre dagegen hat sich mit ihrem Verlust einfach nicht abfinden können. Und dann hatte er den Verdacht, daß sie hinter dem Mord steckte. Deshalb hat er so starrköpfig darauf bestanden, sie ewig nicht mehr gesehen zu haben, obwohl wir doch problemlos das Gegenteil beweisen konnten. Er wollte sie für uns nicht noch interessanter machen. Naiv.«
    »Gelinde gesagt.«
    »Als Brede anfing, über Vilde herzuziehen, ist Sindre übermütig geworden. Brede jammerte über Magenschmerzen und Kopfweh, und Sindre hat ihm fünf Paracet verpaßt. Die der Knabe widerspruchslos hinunterspülte. Mit Whisky. Das muß so ziemlich das erste Mal gewesen sein, daß der Mann eine Tablette genommen hat.«
    Wieder schauderte
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