Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich
Autoren: Bernard Cornwell
Vom Netzwerk:
seine Gefolgsleute bezogen in Klöstern oder Bauernhöfen Quartier.
    Unsere Reihen waren zuweilen ungeordnet, wie sehr, bemerkte sogar ich mit meinen zehn Jahren. Einige Männer hatten Getränke mitgebracht, andere stahlen in den Dörfern, die wir passierten, Met und Ale. Viele betranken sich und brachen einfach am Straßenrand zusammen, ohne dass sich jemand um sie gekümmert hätte. «Die holen uns schon wieder ein», sagte mein Vater.
    «Das ist nicht gut», sagte Pater Beocca zu mir.
    «Was ist nicht gut?»
    «Wir brauchen mehr Disziplin. Ich habe von den römischen Kriegen gelesen und weiß, wie wichtig Disziplin ist.»
    «Sie holen uns schon wieder ein», wiederholte ich meinen Vater sorglos.
    Am Abend stießen Männer aus Cetreht zu uns, einem Ort, an dem wir vor langer Zeit die Welschen in einer großen Schlacht geschlagen hatten. Die Neuankömmlinge sangen Kampflieder, die daran erinnerten, wie wir die Raben mit dem Blut der Fremden getränkt hatten. Mein Vater war in Hochstimmung und sagte, dass Eoferwic nicht mehr weit sei; bald würden wir mit Osbert und A Ella zusammentreffen, und dann würden wir wieder Raben tränken. Im Süden, weit hinter einer flachen Ebene, erkannte ich am Himmel den Widerschein vieler Feuer und wusste, wo sich der Rest des northumbrischen Heeres sammelte.
    «Der Rabe ist Wotans Geschöpf, nicht wahr?», fragte ich nervös.
    Mein Vater sah mich verwundert an. «Wer hat dir das gesagt?»
    Ich zuckte mit den Achseln und schwieg.
    «Ealdwulf?» Er hatte unseren Schmied, der mit A lfric in der Festung geblieben war, als heimlichen Heiden durchschaut.
    «Das habe ich irgendwo gehört», antwortete ich und zog den Kopf ein aus Furcht, für diese Ausflucht geschlagen zu werden, «und ich weiß, dass wir von Wotan abstammen.»
    «So ist es», bestätigte mein Vater. «Aber jetzt haben wir einen neuen Gott.» Er starrte sorgenvoll auf das Lager und die trinkenden Männer. «Weißt du, Sohn, wer in den Schlachten siegt?»
    «Wir.»
    «Die Seite, die weniger betrunken ist», antwortete er und fügte nach einer Weile hinzu: «Aber es hilft, zu trinken.»
    «Warum?»
    «Weil es schrecklich ist, in einem Schildwall zu kämpfen.» Er starrte ins Feuer. «Ich habe schon sechsmal in vorderster Reihe gestanden», fuhr er fort. «Und jedes Mal habe ich gebetet, es möge das letzte Mal sein. Dein Bruder war ein Mann, dem es im Schildwall gefallen hätte. Er war sehr mutig.» Er dachte schweigend nach, zog dann die Augenbrauen zusammen und sagte: «Der Mann, der seinen Kopf gebracht hat. Ich will seinen Kopf. Ich will in seine toten Augen spucken und seinen Schädel dann auf einen Mast am Torhaus spießen.»
    «Ihr werdet ihn bekommen.»
    Er lachte höhnisch und sagte: «Was weißt du schon? Ich habe dich mitgenommen, weil du lernen musst, wie es in der Schlacht zugeht. Weil unsere Männer sehen sollen, dass du dabei bist. Aber du wirst nicht kämpfen. Du bist ein Welpe, der, ohne selbst zu beißen, beobachtet, wie die alten Hunde ein Wildschwein reißen. Du wirst beobachten und lernen, beobachten und lernen. Es soll dir eines Tages nützlich sein. Doch vorerst bist du nur ein kleines Hündchen.» Mit einer Geste entließ er mich.
    Am nächsten Tag marschierten wir auf der Römerstraße über flaches Land, überquerten Dämme und Gräben, bis wir schließlich an die Stelle gelangten, wo die Heere von
    Osbert und A Ella ihre Zelte aufgeschlagen hatten. Hinter den Bäumen lag Eoferwic in Sichtweite, und dort waren die Dänen.
    Eoferwic war und ist immer noch die Hauptstadt des nördlichen Englands. Sie umfasst eine große Abtei, den Bischofssitz, eine Festung, hohe Mauern und einen riesigen Markt. Am Rand der Stadt fließt die Ouse, die von einer festen Brücke überspannt wird. Auf diesem Fluss waren die Dänen mit ihren Schiffen vom Meer nach Eoferwic gelangt. Sie mussten gewusst haben, dass Northumbrien von inneren Unruhen geschwächt und Osbert, der rechtmäßige König, nach Westen gezogen war, um sich mit seinem Herausforderer A Ella zu schlagen. Seine Abwesenheit hatten sie genutzt, um die Stadt einzunehmen. Der Streit zwischen Osbert und A Ella gärte schon seit Wochen, und Eoferwic war voller Händler, von denen viele zur See fuhren und die Nachricht von der erbitterten Rivalität dieser beiden Männer verbreiteten.
    Dass sich die Dänen gut darauf verstanden, andere auszuspähen, habe ich mit der Zeit gelernt. Die Mönche schreiben in ihren Chroniken zwar, dass die Nordmänner mit ihren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher