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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich
Autoren: Bernard Cornwell
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sich herauszureden. Wie dem auch sei, mein Bruder war tot, und außer seinem Leben hatten die Dänen dreizehn gute Schwerter genommen, dreizehn edle Pferde, ein Kettenhemd, einen Helm und meinen alten Namen.
    Aber das war noch nicht das Ende. Drei Schiffe, die aufkreuzten und wieder verschwanden, waren kein großes Ereignis, doch eine Woche nach dem Tod meines Bruders hörten wir, dass eine große dänische Flotte auf dem Wasserweg ins Landesinnere vorgedrungen und über Eoferwic hergefallen war. Zu Allerheiligen hatten sie die Stadt eingenommen, worüber Gytha bitterlich weinte, weil sie darin ein Zeichen sah, dass sich Gott von uns abgewendet hatte. Doch es gab auch gute Nachrichten: Anscheinend hatten sich mein alter Namensvetter König Osbert und sein Rivale A Ella, der ihm den Thron streitig machte, zusammengetan und darauf verständigt, ihre Feindschaft beizulegen und Eoferwic mit vereinten Kräften zurück zu erobern. Was so einfach klang, dauerte natürlich seine Zeit. Boten ritten, Berater verwirrten, Priester beteten, und als Osbert und A Ella endlich ihren Frieden besiegelten, war es Weihnachten, und dann riefen sie die Männer meines Vaters zum Einsatz, doch im Winter konnten wir natürlich nicht in den Kampf ziehen. Die Dänen waren in Eoferwic, und dort ließen wir sie gewähren bis zum Frühlingsbeginn, als die Nachricht eintraf, dass sich das Heer von Northumbrien vor der Stadt sammelte. Zu meiner großen Freude entschied mein Vater, dass ich mit ihm Richtung Süden reiten sollte.
    «Er ist noch zu jung», protestierte Gytha.
    «Er ist fast elf», entgegnete mein Vater, «und er muss lernen zu kämpfen.»
    «Er würde besser seinen Unterricht fortsetzen», sagte sie.
    «Ein toter Gelehrter ist für die Bebbanburg wertlos», erwiderte mein Vater. «Uhtred ist jetzt der Stammhalter, und deshalb muss er kämpfen lernen.»
    An diesem Abend beauftragte er Beocca, mir die Schriftrollen zu zeigen, die in der Kapelle aufbewahrt wurden, die Urkunden, die uns als rechtmäßige Besitzer des Landes auswiesen. Seit zwei Jahren lehrte mich Beocca das Lesen, aber ich war ein schlechter Schüler und konnte die Schriften nicht entziffern. Beocca seufzte verzweifelt und erklärte mir, was darin geschrieben stand. «Sie beschreiben das Land», sagte er, «das Land deines Vaters, und hier steht, dass das Land nach göttlichem Recht und unseren Gesetzen deinem Vater gehört.» Und es schien, als sollte ich dieses Land eines Tages erben, denn noch an diesem Abend diktierte mein Vater ein neues Testament, in dem er
    meinen Sohn Uhtred als Erben der Bebbanburg einsetzte; ich sollte der zukünftige Aldermann sein, dem das Volk zwischen den Flüssen Tuede und Tine den Treueeid leisten würde. «Wir waren hier einst Könige», sagte er mir, «und unser Land wurde Bernicia genannt.» Er presste sein Siegel ins rote Wachs und hinterließ darin den Abdruck eines Wolfskopfs.
    «Wir werden wieder Könige sein», sagte A Elfric, mein Onkel.
    «Als was man uns bezeichnet, ist gleichgültig», erwiderte mein Vater schroff, «Hauptsache, man gehorcht uns.» Und dann ließ er A Elfric auf den Kamm des heiligen Cuthbert schwören, dass er sein neues Testament respektierte und mich als Uhtred von Bebbanburg anerkannte. A Elfric leistete den Schwur. «Aber noch lebe ich», sagte mein Vater. «Wir werden diese Dänen wie Schafe in der Koppel abschlachten und ruhmreich, mit Beute beladen, zurückkehren.»
    «Mit Gottes Hilfe», sagte A Elfric.
    A Elfric blieb mit dreißig Männern in der Festung zurück, um über Bebbanburg zu wachen und die Frauen zu beschützen. Er beschenkte mich an diesem Abend mit einem Lederkleid, das mich vor Schwerthieben schützen sollte, und mit einem Helm, den Ealdwulf, der Schmied, mit einem Ringband aus vergoldeter Bronze geschmückt hatte. «Damit jeder sieht, dass du ein Prinz bist», sagte A Elfric.
    «Er ist kein Prinz», widersprach mein Vater, «sondern der Erbe eines Aldermanns.» Doch auch ihn erfreuten die Gaben seines Bruders, und er fügte noch ein Kurzschwert und ein Pferd dazu. Das Schwert war eine alte, verkürzte Klinge, die in einer mit Vlies gefütterten Lederscheide steckte. Es hatte ein klobiges Heft und war nicht leicht zu führen, dennoch schlief ich in dieser Nacht mit dem Schwert unter meiner Decke.
    Am nächsten Morgen, während meine Stiefmutter auf dem Festungswall weinte, ritten wir unter einem strahlend blauen Himmel in den Krieg. Zweihundertfünfzig Krieger folgten unserem
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