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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich
Autoren: Bernard Cornwell
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Priester namens Beocca, buchstabierte den Namen Utred. Ich weiß nicht, wie ihn mein Vater geschrieben hätte - er konnte weder lesen noch schreiben; ich aber kann beides, und wenn ich manchmal die alten Schriftrollen aus der Holztruhe hole, sehe ich den Namen mal Uhtred oder Utred, mal Ughtred oder auch Ootred geschrieben. Diese Schriften beurkunden, dass Uhtred, der Sohn Uhtreds, alleiniger Besitzer jener Länder ist, deren Grenzen gewissenhaft markiert sind von Steinen und Deichen, Eichen und Eschen, von Sümpfen und vom Meer, und ich träume von diesen wilden Ländern unter dem windzerwühlten Himmel. Ich träume von ihnen und weiß, dass ich sie mir eines Tages von denen, die sie raubten, wieder zurückholen werde.
    Ich bin ein Aldermann, nenne mich aber Graf Uhtred, was dasselbe ist, und die verblichenen Pergamente beweisen, welcher Besitz mir zusteht. Dem Recht nach bin ich der Besitzer dieser Länder, und das Recht, so heißt es, macht uns - anders als die Tiere - vor Gott zu Menschen. Doch das Recht hilft mir nicht, mein Land zurück zugewinnen. Das Recht strebt nach Ausgleich. Das Recht will mit Geld für Verluste entschädigen. Das Recht fürchtet nichts mehr als die blutige Fehde. Ich aber bin Uhtred, der Sohn Uhtreds und dies ist die Geschichte einer Blutfehde.
    Sie erzählt, wie ich das Land, das nach dem Recht meines ist, von meinem Feind zurückerobere. Und sie erzählt von einer Frau und ihrem Vater, einem König.
    Er war mein König, dem ich alles verdanke. Die Speisen, die ich esse, das Haus, in dem ich wohne, die Schwerter meiner Mannen - all das kam von Alfred, meinem König, der mich hasste.
    Die Geschichte beginnt lange vor meiner ersten Begegnung mit Alfred. Sie beginnt, da ich zehn Jahre alt war und zum ersten Mal die Dänen sah. Das war im Jahr 866. Damals hieß ich noch nicht Uhtred, sondern Osbert, denn ich war der zweite Sohn meines Vaters, und nur der Erstgeborene hatte Anspruch auf den Namen Uhtred. Mein Bruder war sieben Jahre älter und von großer, kräftiger Gestalt. Er hatte das blonde Haar unserer Familie und den mürrischen Gesichtsausdruck meines Vaters.
    An dem Tag, da ich zum ersten Mal die Dänen sah, ritten wir mit Falken auf den Fäusten an der Küste entlang: mein Vater, meines Vaters Bruder, mein Bruder, ich selbst und ein Dutzend Gefolgsleute. Es war Herbst. Letztes Sommergrün überzog die Klippen, auf den Felsen lagerten Seehunde, und über uns schwirrten und kreischten so viele Seevögel, dass wir die Falken nicht von den Fesseln lassen konnten. Wir ritten, bis wir an die Untiefen gelangten, die sich zwischen unserem Land und Lindisfarena, der heiligen Insel, erstrecken, und ich erinnere mich, über das Wasser auf die eingestürzten Mauern der Abtei geschaut zu haben. Die Dänen hatten sie geplündert, doch das war viele Jahre vor meiner Geburt gewesen, und obwohl die Mönche in ihr Kloster zurückgekehrt waren, hatte es nie wieder zu seiner alten Größe zurückgefunden.
    Dieser Tag ist mir als besonders schön in Erinnerung, und vielleicht war er das auch. Vielleicht hat es geregnet, aber das glaube ich nicht. Die Sonne schien, das Meer war ruhig, es wogte sanft, und alles strahlte. Ich spürte die Krallen meines Falkenweibchens durch den Lederärmel. Sein Kopf unter der Haube zuckte hin und her, weil es die Schreie der weißen Vögel hörte. Wir hatten die Festung am Vormittag Richtung Norden verlassen, und obwohl wir die Falken bei uns hatten, ritten wir nicht, um zu jagen, sondern damit mein Vater eine Entscheidung treffen konnte.
    Wir herrschten über dieses Land. Mein Vater, Aldermann Uhtred, war Herr über alles südlich der Tuede und nördlich der Tine. Gleichwohl hatten wir einen König in Northumbrien; sein Name war, ebenso wie meiner, Osbert. Er lebte südlich von uns, kam nur selten nach Norden und ließ uns freie Hand. Jetzt aber trachtete ein Mann namens A Ella nach dem Thron, und A Ella, ein Aldermann aus den Bergen westlich von Eoferwic, hatte sich mit einem Heer gerüstet, um Osbert zu stürzen, und meinem Vater Geschenke zukommen lassen, damit er ihn unterstütze. Wie ich heute weiß, hing der Ausgang der Rebellion von der Entscheidung meines Vaters ab. Ich wollte, dass er Osbert die Treue hielt, weil er der rechtmäßige König war und meinen Namen trug, denn töricht, wie ich mit meinen zehn Jahren war, glaubte ich, dass ein Mann namens Osbert nobel, gut und tapfer sein musste. In Wahrheit war Osbert ein alter Narr, dennoch aber der König, und
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