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Das letzte Koenigreich

Das letzte Koenigreich

Titel: Das letzte Koenigreich
Autoren: Bernard Cornwell
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mein Vater hatte Skrupel, ihm in den Rücken zu fallen. Doch im Unterschied zu A Ella hatte Osbert meinem Vater keine Geschenke zukommen lassen und ihm auch keinen Respekt erwiesen, was meinen Vater beunruhigte. Wir konnten
    Krieg führen und binnen eines Monats über vierhundert Mitstreiter zu den Waffen rufen. Darum würde derjenige, den wir unterstützten, die Macht gewinnen und uns dankbar sein.
    So glaubten wir jedenfalls.
    Und dann sah ich sie.
    Drei Schiffe.
    In meiner Erinnerung gleiten sie aus einer Nebelbank hervor, was vielleicht auch so war, doch Erinnerungen sind trügerisch, und meine anderen Bilder jenes Tages zeigen einen klaren und wolkenlosen Himmel. Es gab also vielleicht gar keinen Nebel, doch mir ist so, als seien die drei Schiffe plötzlich wie aus dem Nichts von Süden her aufgetaucht.
    Prächtige Langschiffe. Schwerelos schienen sie auf dem Wasser zu schweben, und ihre Ruder teilten die Wellen. Die geschwungenen, hoch aufragenden Vorder- und Hintersteven waren mit vergoldeten Schlangen und Drachen geschmückt, und mir kam es an diesem fernen Sommertag so vor, als tanzten die drei Schiffe im Takt der auf- und nieder schwingenden Ruder übers Meer. Die Sonne glitzerte auf den feuchten Ruderblättern, die, wenn sie durchs Wasser gezogen wurden, die Schiffe nach vorn schnellen ließen. Ich war gebannt von ihrem Anblick.
    «Teufelsdreck», knurrte mein Vater. Er war kein besonders guter Christ, in diesem Moment aber beängstigt genug, um sich zu bekreuzigen.
    «Zur Hölle damit», sagte mein Onkel A Elfric. Er war ein schlanker Mann, gerissen, undurchschaubar und verschwiegen.
    Die drei Schiffe fuhren mit gewölbten Segeln vor dem Wind nach Norden. Doch als wir kehrtmachten und über den Strand nach Hause galoppierten, dem Wind entgegen, sodass die Pferdemähnen flogen und die Falken unter ihren Hauben schrille Warnrufe ertönen ließen, drehten die Schiffe bei und folgten uns. An der Stelle, wo die Klippen eingebrochen waren, ritten wir über den Geröllhang landeinwärts, trieben unsere Pferde die steile Böschung hinauf und galoppierten von dort aus auf dem Küstenpfad unserer Festung entgegen.
    Zur Bebbanburg. Bebba hatte vor langer Zeit als Königin über unser Land geherrscht, und ihren Namen trägt mein Zuhause: Es ist der schönste Ort auf der ganzen Welt. Die Festung steht auf einem Felsvorsprung hoch über dem Meer. Die Wellen branden gegen die Ostseite, brechen sich weiß schäumend vor der nördlichen Spitze des Felsens und verlaufen im Westen zwischen der Festung und dem Land zu einem kleinen, flachen See. Den Zugang zur Bebbanburg bildet ein Damm aus Steinen und Sand, vor dem sich zum Schutz das untere Torhaus erhebt, ein großer, auf einem Erdwall errichteter Holzturm. Auf unseren schweißnassen Pferden donnerten wir durch den Torbogen, am Getreidespeicher, der Hufschmiede und den Stallungen vorbei, die allesamt aus Holz gebaut und mit Roggenstroh gedeckt waren, und schließlich hinauf zum Bergfried auf der Spitze des Felsens, der von Palisaden umgeben war, die den Palas meines Vaters einschlossen. Dort stiegen wir ab, überließen unsere Pferde und Falken den Knechten und rannten zum Wehrgang auf der Ostseite, um aufs Meer hinauszublicken.
    Die drei Schiffe waren jetzt nahe bei den Inseln, auf denen die Papageientaucher nisten und im Winter das Seehundevolk tanzt. Alarmiert vom Geklapper der Hufe eilte meine Stiefmutter aus dem Palas. «Die hat der Teufel ausgeschissen». begrüßte sie mein Vater.
    «Bewahre uns Gott mit seinen Heiligen», sagte Gytha und bekreuzigte sich. Meine leibliche Mutter hatte ich nie gekannt; sie war die zweite Frau meines Vaters gewesen und wie ihre Vorgängerin im Kindbett gestorben. Wir, mein Bruder - genauer gesagt: mein Halbbruder - und ich, hatten also keine Mutter, doch ich sah Gytha als meine Mutter an, und meistens war sie freundlich zu mir, freundlicher jedenfalls als mein Vater, der für Kinder nicht viel übrig hatte. Gytha wollte, dass ich Priester werde, denn mein älterer Bruder würde das Land erben und als Ritter beschützen, sodass ich einen anderen Lebensweg einschlagen müsse. Sie hatte meinem Vater zwei Söhne und eine Tochter geschenkt, die aber alle nicht älter als ein Jahr geworden waren.
    Die drei Schiffe kamen immer näher, offenbar angelockt von der Bebbanburg, was uns jedoch nicht weiter beunruhigte, da die Festung als uneinnehmbar galt, da mochten die Dänen so lange Ausschau halten, wie sie wollten. Das Schiff an der Spitze
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