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Das letzte Experiment

Das letzte Experiment

Titel: Das letzte Experiment
Autoren: Philip Kerr
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müssen sich dort melden, um eine
cedula di identitad
zu erhalten. Ich darf Ihnen versichern, es ist lediglich eine Routineangelegenheit, Herr Dr.   Hausner. Fotografien und Fingerabdrücke und dergleichen. Sie benötigen selbstverständlich alle diesen Ausweis, damit Sie arbeiten dürfen, doch wir müssen ein wenig vorsichtig sein, deshalb ist es besser, wenn Sie nicht alle am selben Tag auf dem Amt vorsprechen.»
    Als wir zum Wagen gingen, sagte Fuldner, dass zwar tatsächlich alle Neuankömmlinge diese
cedula
von der örtlichen Polizeiwache benötigten – doch dass wir nicht dorthin fahren würden.
    «Ich brauchte schließlich einen Vorwand», sagte er. «Ich konnte auf keinen Fall sagen, wohin wir wirklich fahren, ohne die anderen zu kränken.»
    «Das wollen wir ganz bestimmt nicht, nein», sagte ich, als ich in den Wagen stieg.
    «Und bitte sagen Sie nach unserer Rückkehr um Himmels willen nicht, wo wir gewesen sind. Dank Eifler gibt es bereits genug Verstimmung in diesem Haus.»
    «Selbstverständlich. Es bleibt unser kleines Geheimnis.»
    «Sie machen Witze», sagte Fuldner und ließ den Motor an. Wir fuhren los. «Aber ich bin derjenige, der als Letzter lacht, wenn Sie erst mal sehen, wohin wir fahren.»
    «Sagen Sie mir nicht, dass man mich jetzt schon wieder deportiert.»
    «Nein, nichts dergleichen. Wir haben einen Termin beim Präsidenten.»
    «Juan Perón will
mich
sehen?»
    Fuldner lachte. Ich schätze, ich muss ziemlich dumm dreingesehen haben.
    «Warum die Ehre? Habe ich einen bedeutenden Preis gewonnen? Der schlaueste Nazi-Neuankömmling in Argentinien?»
    «Glauben Sie es oder nicht, Perón begrüßt eine Menge deutscher Offiziere persönlich, die hier in Argentinien eintreffen. Er mag Deutschland und die Deutschen sehr.»
    «Womit er zurzeit wohl ziemlich allein dasteht.»
    «Er ist ein Militär, vergessen Sie das nicht.»
    «Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb man ihn zum General gemacht hat.»
    «Am liebsten trifft er deutsche Ärzte. Peróns Großvater war Arzt. Er wollte selbst Arzt werden, doch stattdessen ging er auf die nationale Militärakademie.»
    «Eine Verwechslung, die einem schnell mal passiert», sagte ich. «Menschen umbringen statt Menschen heilen.»
    Mein Ton war hart, als ich fortfuhr: «Ich bin mir der großen Ehre bewusst, Carlos. Aber es ist eine Weile her, dass ich mir ein Stethoskop in die Ohren geklemmt habe. Ich hoffe, er erwartet nicht von mir, dass ich ihm ein Heilmittel gegen Krebs präsentiere oder mit ihm über die neuesten Erkenntnisse der Deutschen Medizinischen Gesellschaft plaudere. Schließlich habe ich mich die letzten fünf Jahre in einem Kohlenschuppen versteckt.»
    «Entspannen Sie sich», sagte Fuldner. «Sie sind nicht der erste Nazi-Arzt, den ich dem Präsidenten vorstellen muss. Und ich nehme nicht an, dass Sie der letzte sein werden. Die Tatsache, dass Sie Mediziner sind, heißt für Peròn aber, dass Sie gebildet sein müssen und ein Gentleman.»
    «Wenn es die Gelegenheit erfordert, weiß ich mich wie ein Gentleman zu benehmen», sagte ich. Ich knöpfte meinen Hemdenkragen zu, straffte meine Krawatte und warf einen Blick auf meine Uhr. «Empfängt er seine Besucher immer zum Frühstück, bei gekochten Eiern?»
    «Perón ist in der Regel schon um sieben Uhr in seinem Büro», sagte Fuldner. «Dort drüben. In der Casa Rosada.» Er deutete auf ein grell rosafarbenes Gebäude, das auf der anderen Seite einer mit Palmen und Statuen gesäumten Plaza stand. Es sah aus wie der Palast eines indischen Maharadschas, von dem ich einmal ein Foto in einem Magazin gesehen hatte.
    «Rosa», sagte ich. «Schöne Farbe für ein Regierungsgebäude. Wer weiß, vielleicht wäre Hitler noch an der Macht, hätte er seine Reichskanzlei in einer hübscheren Farbe gestrichen anstatt in tristem Grau.»
    «Es gibt einen Grund, warum das Gebäude rosa ist», sagte Fuldner.
    «Erzählen Sie ihn mir bitte nicht. Es hilft mir dabei, mich zu entspannen, wenn ich mir Perón als die Sorte von Präsident vorstellen kann, die Rosa mag. Glauben Sie mir, Carlos, das ist wirklich sehr beruhigend.»
    «Das erinnert mich an etwas. Sie haben einen Scherz gemacht, von wegen, Sie wären ein Roter. Stimmt das?»
    «Ich war fast zwei Jahre in einem sowjetischen Gefängnis, Carlos. Was denken Sie?»
    Er fuhr um das Gebäude herum zu einem Seiteneingang und zeigte dem Wachposten an der Schranke eine Sicherheitsplakette, bevor wir auf einen zentralen Innenhof kamen. Vor einer kunstvollen
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