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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch
Autoren: Zoran Zivkovic
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ICH, ES IST NICHT DASSELBE. ES HAT DEN TITEL, DEN PROFESSOR NEDELJKOVIĆ GENANNT HAT: DAS LETZTE BUCH. MELDEN SIE SICH!
    Ich schlug mir vor die Stirn.
    »Natürlich! Was war ich für ein Idiot …«
    »Was ist denn passiert?«, fragte mich Vera mit gedämpfter Stimme.
    Ich gab ihr das Telefon. Wie auf Kohlen wartete ich, dass sie zu Ende läse.
    »Dejan …«, entfuhr es ihr.
    »Schnell! Ruf sie an!«
    |193| Veras Hände zitterten, als sie die Nummer wählte. Ich dachte schon, es werde sich niemand melden, als die Verbindung hergestellt
     war.
    »Maja? Wo ist Olga?«
    Ihr Gesicht wurde blass beim Zuhören, sie sagte nichts. Ließ sich auf einen Stuhl fallen.
    »Ich komme sofort«, brachte sie schließlich hervor, ehe sie auflegte.
    Sie blickte zu mir auf. Ihre Augen waren gläsern vor Tränen, die ihre Wangen hinunterrannen.
    »Olga …«, schluchzte sie. »Sie ist tot.«
    Ich beugte mich zu ihr hinunter und umarmte sie. Sie stand auf. Wir schmiegten uns aneinander. Ich spürte, wie sich ihr Körper
     vor Schluchzen schüttelte.
    »Was war los?«, fragte ich leise, als sie sich wieder etwas gefangen hatte.
    »Maja ist ihre Schwester. Sie wohnen zusammen. Beziehungsweise wohnten …«
    Wieder schluchzte sie auf. Ich wartete, bis sie sich ein wenig beruhigte, und streichelte ihr Haar.
    »Olga hat das Buch nach Hause mitgenommen. Sie ist sofort zusammengebrochen, als sie es aufgeschlagen hat. Der Rettungswagen
     war gleich da, aber sie war schon tot. Man hat sie gerade ins Institut für Gerichtsmedizin gebracht …«
    »Und das Buch?«
    Ich wiederholte die Frage, weil Vera mich nur mit starrem Blick ansah, als würde sie mich nicht verstehen.
    »Auch das Buch haben sie mitgenommen«, sagte sie schließlich. »Ich muss sofort zu Maja.«
    Ich küsste sie auf die Stirn.
    »Ich fahre zum Institut. Ich melde mich bei dir, sobald ich etwas weiß.«

|194| 35.
    Eilig lief ich am Eingang zum Institut am Pförtner vorbei. Es war derselbe wie gestern. Wieder sah er fern. Er rief etwas,
     doch ich drehte mich nicht um und er kam mir auch nicht hinterher.
    Die dunklen Korridore und Treppen des Gebäudes hallten unter meinen Schritten, als ich zum Büro von Doktor Dimitrijević eilte.
     Ich schaltete kein Licht ein, verließ mich nur auf den schwachen Schein der städtischen Beleuchtung, der durch die großen
     Fenster hereindrang. Als ich an der Tür war, klopfte ich beherzt an. Nur die Stille antwortete mir. Ich drückte die Klinke
     hinunter, doch vergeblich.
    Einige Augenblicke stand ich verwirrt da, dann ging ich in Richtung »Kühlschrank«. Auch hier fand ich die Tür verschlossen
     vor. Frustriert donnerte ich mit den Fäusten gegen das weiße Metall, doch das machte nur Lärm und nichts weiter.
    Ich dachte daran, zum Pförtner zurückzugehen, doch dann fiel mir ein, ich könnte ja telefonieren. Ich griff in die Tasche,
     zog das Handy heraus – und begriff, dass das nicht half. In meiner Hand befand sich das neue Telefon. Das alte war auf dem
     Tisch in Veras Küche liegen geblieben. In dem Durcheinander vor meinem Aufbruch hatte ich es nicht mitgenommen, aber in ihm
     war die Nummer des Doktors eingespeichert.
    Wenn Vera noch zu Hause gewesen wäre, hätte ich sie anrufen |195| können. Aber wir waren gemeinsam losgegangen. Schon war ich auf dem Weg ins Erdgeschoss, als mir einfiel, dass das Adressbuch
     des alten Telefons nicht das Einzige war, woran ich mich halten konnte. Ich hatte ja noch mein Gedächtnis! Zahlen konnte ich
     mir immer gut merken. Ich strengte mich an – und schließlich fiel mir die Nummer ein. Ich war nicht sicher, ob sie stimmte,
     aber was hatte ich schon zu verlieren? War sie falsch, dann würde ich die Verbindung einfach unterbrechen. Rasch tippte ich
     die Ziffern ein.
    Erleichtert atmete ich auf, als ich bereits nach dem zweiten Läuten die Stimme Doktor Dimitrijevićs vernahm.
    »Hallo?«
    »Kommissar Lukić.«
    »Ach, Sie sind es! Ich versuche schon eine ganze Weile, Sie zu erreichen, aber auf Ihrem Handy meldet sich keiner.«
    »Das Handy, über das Sie mich angerufen haben, habe ich nicht bei mir.«
    »Wir müssen uns schnell sehen. Wo sind Sie?«
    »In Ihrem Institut.«
    »Sie sind schon da? Dann wissen Sie Bescheid?«
    »Ja. Ich habe Sie zuerst in Ihrem Büro gesucht, danach im ›Kühlschrank‹, aber beide Räume sind verschlossen.«
    »Sind Sie in diesem Moment beim ›Kühlschrank‹?«
    »Ja.«
    »Ich hole Sie ab.«
    Während ich wartete, fiel mir ein, dass es eigentlich ganz gut
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