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Das letzte Buch

Das letzte Buch

Titel: Das letzte Buch
Autoren: Zoran Zivkovic
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gewusst, dass du diese Kapitel schreibst?«
    »Ich durfte es nicht wissen. Das hätte im
letzten Buch
alles durcheinandergebracht. Ich musste ein Teil der Geschichte sein. Nur eine gewisse Ahnung war möglich. Erinnerst du dich,
     dass ich dir von dem Eindruck des bereits Gelesenen erzählt habe?«
    »Ja.«
    |222| »Er bezog sich nicht auf ein Buch, das ich früher einmal gelesen und vergessen habe, sondern auf das, was ich geschrieben
     habe – was wir eigentlich beide geschrieben haben. Gleichzeitig.«
    »Aber warum war es nötig, dass du es auch schreibst?«
    »Weil ich nur so, als Schriftsteller, das
letzte Buch
gefahrlos lesen konnte. Sonst wäre diese Lösung nicht möglich gewesen. Und was wäre ein Detektivroman ohne Lösung?«
    Diesmal trank sie ein wenig Tee. Einen Moment gedachte ich sie daran zu hindern, damit sie nicht wieder in den Zustand der
     Starre verfiele, aber ich sah ein, das würde nicht geschehen. Es war nicht mehr nötig, meine Wirklichkeit zu verlassen.
    Sie machte eine unbestimmte Handbewegung, nachdem sie die Tasse niedergesetzt hatte.
    »Unsere Wirklichkeit ist also nur … die Fiktion … eines Schriftstellers?«
    »Nein. Sie ist ebenso wirklich wie die seine. Aber seine hat die unsrige sieben Tage lang beeinflusst, solange das
letzte Buch
gedauert hat. Nur noch ein paar Minuten, und der Einfluss wird verschwinden.«
    »Warum musste der Einfluss ein solcher sein?«, fragte sie nach kurzem Überlegen mit gedämpfter Stimme.
    »Wie, ein solcher?«
    »Warum hat er ausgerechnet einen Detektivroman schreiben wollen? Konnte er nicht anspruchsvolle Literatur wählen?«
    »Das hat er doch auch. Für ihn ist ein Detektivroman keine Trivialliteratur.«
    »Vielleicht nicht, aber es hätte dann wenigstens nicht so viele Tote gegeben. Sechs echte Menschen, unter ihnen auch Olga,
     haben ihr Leben verloren, nur damit er beweist, dass auch ein Detektivroman gute Literatur sein kann! Das ist herzlos und
     unverzeihlich!«
    |223| »Tote gibt es auch in der guten Literatur. Manchmal viel mehr.«
    »Das ist ein schwacher Trost.«
    »Stimmt. Deshalb will er sich zumindest ein wenig freikaufen, solange wir noch in dem
letzten Buch
sind.«
    »Freikaufen?«
    »Ja. Damit macht er natürlich die Toten nicht wieder lebendig, aber dein Leben wird angenehmer werden. Und auch deine Zweifel
     werden verschwinden. Alles, was ich dir erzählt habe, kommt dir auch weiterhin äußerst unwahrscheinlich vor, nicht wahr?«
    Sie nickte.
    »Äußerst unwahrscheinlich!«
    »Aber könntest du deinen Augen trauen?«
    Sie blickte mich fragend an. Ich stand auf und reichte ihr die Hand.
    »Komm.«
    Ich führte sie zum Ausgang der Teestube.
    »Schließe die Augen«, sagte ich zu ihr, als wir an der Tür waren. »Mach sie erst auf, wenn ich es dir sage.«
    Verwirrt schaute sie mich an, ehe sie die Augen schloss.
    Ich führte sie auf die Straße. Das helle Licht des heiteren Tages ließ mich nach der halbdunklen Teestube blinzeln.
    »Jetzt schau!«
    Sie schaute, und bald blinzelte auch sie. Dann hob sie vorsichtig, als wäre es das erste Mal, die Lider ein wenig an. So blieb
     sie lange stehen, die Augen halb geschlossen, bis sie sich an das Licht gewöhnt hatte. Schließlich öffnete sie die Augen weit.
    Alle Sommersprossen auf ihrem Gesicht begannen allmählich zu lächeln.
    »Farben …«

Informationen zum Buch
    Spuren von Gewalt gibt es nicht. Und doch ist Vera äußerst beunruhigt. Noch nie ist in ihrer Buchhandlung jemand gestorben.
     Der Notarzt kommt, und auch Inspektor Lukic von der Kriminalpolizei. Die Untersuchung ergibt gar nichts. Weder medizinische
     noch kriminelle Ursachen lassen sich finden. Aber bald darauf liegt wieder jemand tot in der Buchhandlung. Aus lauter Verzweiflung
     verliebt sich die schöne Buchhändlerin in den Kriminalisten, der zum Glück ein echter Literaturkenner ist. Aber die Serie
     von Todesfällen in der Buchhandlung »Papyrus« reißt einfach nicht ab. Hat der Geheimdienst etwas damit zu tun? Steckt eine
     Sekte dahinter? Und was führt der Besitzer des Tee-Salons im Schilde, in dem Vera und Lukic sich treffen?

Informationen zum Autor
    Zoran Živkovic wurde 1948 in Belgrad geboren und studierte Literaturtheorie. Neben seiner Dissertation über den Kunstcharakter der Science-Fiction
     im Jahre 1982 veröffentlichte er 22 in viele Sprachen übersetzte Bücher, davon 18 Romane und Erzählungssammlungen. Er lebt
     mit seiner Frau Mia, seinen beiden Söhnen und vier Katzen in Belgrad. In
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