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Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)

Titel: Das leichte Leben: Eine Geschichte aus der Vorstadt (German Edition)
Autoren: Frank Schmitter
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Vaters und nicht ihr Ehemann – und vermutlich war das Ehebett eine Stunde vor Mitternacht nicht der richtige Ort, um in Gedanken ausschließlich der Sohn eines Vaters zu sein.
    Daria drehte ihm weiter den Rücken zu, und der Dampf, der aus der Pfanne hochschlug, die Gerüche nach Fleisch und Zwiebeln und der Lärm des Ventilators schienen sie so total abzuschirmen, dass Frieder entmutigt in ihr Schlafzimmer ging. Er setzte sich auf das Futonbett mit verchromtem Metallrahmen und schaute auf die zwei Meter vierzig hohe Schrankwand, deren mittlere Türen verspiegelt waren. Wieder einmal beschlich ihn das Gefühl, statt in sein Schlafzimmer in die 3D-Version eines exquisiten Möbelkatalogs geraten zu sein. Gewiss, sie hatten die Sachen selbst ausgesucht, aber der Blankoscheck seines Vaters im Hinterkopf führte zu einer merkwürdigen Abwesenheit ihres persönlichen Geschmacks. In der Aufhebung der finanziellen Grenzen entschwanden ihre individuellen Vorlieben. Sie wohnten nun beschirmt von großen Markennamen, aber anonym – und Frieder konnte sich immer noch nicht erklären, warum er diesem lilafarbenen Monstrum Einlass gewährt hatte.
    Er zog sich jeden Tag nach der Arbeit um, obwohl der Unterschied in der Kleidung minimal war. Bevor Frieder die verblichene braune Cordhose vom stummen Diener nahm, streichelte er sein Glied, bis es erigiert war und die Eichel unter der Naht seiner Unterhose herauswuchs. Er war ratlos, in seinem Kopf gewitterten die Worte, Blicke und Gesten, die Daria und er seit gestern Abend getauscht hatten, intensiv, wirr und einander widersprechend. Er hatte Sehnsucht nach einem eindeutigen Gefühl, einfach und klar wie ein Ziegelstein. Frieder rieb schneller und heftiger, überlegte, die Sache im Badezimmer zu Ende zu bringen, aber seine Erregung war rein mechanisch bedingt, in einer trostlosen Weise physisch, und danach würde er sich lediglich leer fühlen und einsam, mit einem ziehenden Schmerz im Samenstrang.
    Als er Minuten später die Treppe hinunterging, trug Svenja gerade ein Tablett mit Tellern und Gläsern ins Wohnzimmer. Sie war zu konzentriert auf ihre Aufgabe, um ihren Vater wahrzunehmen, und so folgte ihr Frieder und legte von hinten die Handflächen vor ihre Augen, sobald sie das Tablett abgestellt hatte.
    „Ich weiß, dass du es bist, Papa.“
    Frieder verteilte mit Svenja das Geschirr auf dem Tisch. Ein ovaler, ausziehbarer Esstisch aus Kirsche mit einer wie nass glänzenden Oberfläche und vier dazu passenden Stühlen aus demselben Material. Wenn sie nur zu dritt aßen, breitete Daria die Essdecke nicht über den ganzen Tisch aus. Ein breiter Streifen blieb frei für den achtarmigen, versilberten Kerzenständer; in der alten Wohnung, als Svenja noch zwischen sieben und acht Uhr schlafen ging, aßen sie manchmal bei Kerzenlicht ein mehrgängiges Menü zu zweit, das immer im Schlafzimmer endete. Nach dem Einzug in die Karolinenstraße gab es noch keines dieser speziellen Diners; sie zündeten die Kerzen nur noch an, wenn sie gemeinsam mit Svenja aßen, an Geburtstagen oder Weihnachten und Silvester.
    Daria brachte die Schüssel mit den Spaghetti; sie hatte die Fleischsoße bereits in der Küche untergemischt.
    „Kannst du bitte noch die Getränke und den Käse holen?“, sagte sie zu Frieder. Als er in der Küche nach der Rotweinflasche griff, hörte er, wie Svenja leise, aber nicht leise genug ihre Mutter fragte: „Müssen wir heute Abend wieder beten?“
    Frieder beschloss, die Frage nicht gehört zu haben. Er fühlte sich zu gereizt und deshalb nicht streitfähig. Sobald er sich wieder gesetzt hatte, schob er eilig eine Gabel mit Spaghetti in den Mund und sah aus den Augenwinkeln, wie sich seine Frau und Tochter zuzwinkerten. Svenja saß ihm gegenüber, zu seiner Rechten, am Kopfende, saß Daria.
    „Was gab es heute Mittag bei euch?“ Frieder schaute zu seiner Tochter, die ihre Pasta gleichzeitig mit Löffel, Gabel und Messer bekämpfte.
    „Fischstäbchen. Und noch was, aber das habe ich vergessen.“
    „Hat es geschmeckt?“
    „Was geschmeckt?“
    Frieder legte seine Gabel neben den Teller, stützte die Ellbogen auf den Tisch und legte die Fingerkuppen aneinander.
    „Svenja! Ich rede mit dir. Hör mir bitte zu.“
    „Mache ich doch.“
    „Machst du eben nicht.“
    Svenja zuckte die Achseln und widmete sich wieder ihrem Abendessen. Daria aß nur eine kleine Portion, trank aber bereits das zweite Glas Rotwein, einen Chianti, den sie im Nachbarort gekauft hatten, bei
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