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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Autoren: Oskar Maria Graf
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das nicht wollen! Den haben die sauberen Herren bloß übertölpelt!«
    Noch am selben Tag wurde in der Pfarrkirche eine feierliche Abschiedsmesse für die ins Feld gehenden Männer abgehalten. Verdrossen beteten die alten Bauern, wehe Gesichter hatten die Weiber und Jungfrauen, und ab und zu weinte eine davon.
    In der übernächsten Frühe mußten die drei Knechte vom Heimrath fort. Die Bäuerin, ihre Tochter, der Jani-Hans und die zwei Mägde standen im Hof und drückten jedem die schwielige Hand.
    »Hm«, machte die Heimrathin mürrisch, »mitten aus der Arbeit reißt man die besten Mannsbilder! Daß das unser Herrgott will, das sagt mir keiner! Viel Glück, Sepp! Viel Glück, Hans! Viel Glück, Xaverl! Wir nehmen euch schon ins Gebet auf, daß euch nichts passiert.«
    »Vergelt’s Gott, Bäuerin!« dankten die Knechte ernst.
    Der Jani-Hans schenkte jedem von ihnen ein kleines, verzinktes, geweihtes Medaillon, das sie um den Hals hängen sollten. Die gnadenreiche Mutter Gottes von Aufkirchen war auf der einen und die Pfarrkirche auf der anderen Seite aufgeprägt.
    Die Zwillinge hatten nasse Augen, und auch die erste Magd, die Liesl, war sehr rot und weinte. Die Genovev stand mit mißmutigem Gesicht da, und um ihre Finger war der Rosenkranz gewickelt. In einem fort wisperte sie leise Gebete und schob dann einen Stein des Rosenkranzes durch die Finger. Die Resl sagte bewegt und kindlich: »So gut haben wir uns aneinander gewöhnt, und jetzt ist alles aus! Schad’ Sepp, so lustig sind wir immer gewesen! Grad lustig! Viel Glück! Recht viel Glück!«
    Noch eine Weile schauten alle den Davongehenden nach. Sie gingen nach Aufkirchen, von wo sie wagenweise nach Starnberg fuhren.
    »Unser Herrgott wird’s schon wieder gut machen!« murmelte der Jani-Hans schließlich, und die Aufhauser gingen wieder an ihre Arbeit …

Schwere Zeiten
    Die Heimraths hatten wenig Zeit, an den Krieg zu denken. Die Ereignisse, die sich weit weg im französischen Land abspielten, blieben ihnen zum größten Teil unbekannt und kümmerten sie auch nicht. Nur wenn manchmal mitten am Tag die Glocken der Pfarrkirche läuteten, weil wieder irgendwo ein Sieg erfochten worden war, hielten die Erntenden inne. Die Männer nahmen den verschwitzten, breitkrempigen Strohhut vom Kopf, und alle bekreuzigten sich. Es kam wohl auch vor, daß sie mitunter die Hände falteten, kurz und ernst zum Himmel aufschauten und etliche fromme Worte vor sich hinflüsterten. Die aber galten nie dem Sieg, sondern nur allen jenen Bekannten und Verwandten, die fortgemußt hatten, auf den Schlachtfeldern in Not und Gefahr standen und vielleicht schon gefallen waren.
    Es gab jetzt viel mehr Arbeit auf dem Hof als früher. Neue brauchbare Knechte hatten sich nicht mehr auftreiben lassen, und der Jani-Hans war einmal in den »Vilz« – wie der Torfstich hinter Aufhausen allgemein genannt wurde – hinübergegangen, um einige alte Männer auf Taglohn anzustellen. Die halfen nunmehr, so gut und schlecht sie es eben vermochten, die Ernte unter Dach und Fach zu schaffen. Bei Anspannung aller Kräfte hätte sich die Arbeit auch halbwegs bezwingen lassen, doch gegen Ende August tauchte plötzlich eine militärische Kommission in der Gegend auf, musterte die besten Pferde aus und gab den strikten Befehl, sie am nächsten Tag zur Sammelstelle nach Wolfratshausen zu treiben. Die Herren – zwei Offiziere und ein nobel gekleideter, bebrillter Zivilist –, welche vom Bürgermeister Fink und einem Gendarm begleitet waren, bestimmten nach eigenem Gutdünken kurzerhand den Preis und händigten jedem Bauern irgendeinen amtlichen Zettel aus, worauf die Kaufsumme stand, die nach einigen Monaten vom Wolfratshausener königlichen Rentamt einverlangt werden konnte. Es läßt sich denken, daß man der Kommission, die so mitten während der dringendsten Arbeit daherkam, allerorten mit sichtlichem Unmut begegnete, aber die Herren waren sehr überheblich und barsch. Der Heimrathin, die ratlos und verdrossen auf den verlegen dastehenden Bürgermeister schaute und mißmutig sagte: »Ja, das geht doch nicht! Was sollen wir denn jetzt anfangen? Da verdirbt uns ja jedes Korn auf dem Feld!« fuhr ein Offizier grob über den Mund und drohte ihr scharf: »Das geht Sie gar nichts an! Nehmen Sie sich zusammen, sonst lasse ich Sie abführen, verstanden?! Im Krieg gibt’s nur einen Standpunkt: Was braucht das Vaterland!« Im Nu wurde es stumm in der Runde. Der Fink war noch betretener geworden und wagte
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