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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Autoren: Oskar Maria Graf
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dem König deshalb, weil sie eine große, wenn auch ziemlich oberflächliche Wagner-Verehrerin war. Vor etlichen Jahren, als er in Bad Kissingen die Kaiserin von Rußland besucht hatte, war davon gesprochen worden, daß er eine Großfürstin zu heiraten beabsichtige. Ludwig aber hatte nach einem zweiten Besuch plötzlich und sehr verletzend jede Beziehung zum Zarenhaus abgebrochen. Niemand wußte weshalb.
    Ob nun der Einfluß Elisabeths dabei mitgewirkt haben mochte, oder ob Ludwig aus freien Stücken handelte, ist schwer zu sagen: der König verlobte sich sehr schnell mit Sofie, und überall war man hocherfreut darüber. Es wurden die ausgedehntesten Vorbereitungen getroffen und die Verlobung gefeiert. Der Maler Franz Lenbach malte das Bild der Braut, Medaillen wurden geprägt, und – was man kaum mehr zu hoffen gewagt hatte – der König gab prächtige Feste in der Residenz. Er war etwas voller geworden, und sein Gesicht zierte jetzt ein dunkler Schnurr- und ein kurzer Vollbart, der in der Mitte geteilt war. Er sah jetzt noch stattlicher und anziehender aus in der Uniform mit den vielen Orden und erschien mit seiner jungen Braut oft in der Oper. Er nannte sie Elsa und schien der Vorstellung anzuhängen, als sei er Lohengrin.
    Die Hochzeit wurde für den August angesetzt und auf Oktober verlegt. Ludwig war aufgefrischt, schien sehr verliebt und kam fast jeden Tag mit seiner Jacht »Tristan« nach Possenhofen. Er überschüttete die junge Braut mit Geschenken, und deren Eltern waren sehr erbaut von ihm. Er konnte reizend sein und zeigte einen bezwingenden Charme.
    Endlich kam sogar Richard Wagner mit den vollendeten ›Meistersingern‹ wieder zu Besuch nach München. Seine neue Oper sollte zur Hochzeit aufgeführt werden. Zwar empfing ihn der König aufs herzlichste, doch das alte Verstehen der beiden schien im Schwinden begriffen zu sein. Ludwig redete bei den Proben drein und verstieg sich zu manchem taktlosen Tadel. Es gab Mißverständnisse, Reibereien und oberflächliche Versöhnungen. Wagner und Cosima besuchten Sofie, und das beunruhigte merkwürdigerweise den König aufs äußerste. Er wurde wieder jäh mißgelaunt, argwöhnisch und scheu. Unangesagt und inkognito als Graf Berg fuhr er zur Weltausstellung nach Paris, wo auch sein kunstsinniger Großvater weilte und allgemein gefeiert wurde. Frankreich suchte Bayern für seine zukünftige Politik zu gewinnen. Napoleon III. empfing den jungen König, der seit der Niederlage von 1866 nichts mehr für Preußen übrig hatte, und zeigte ihm die Prachtbauten der Bourbonen. Ein Taumel erfaßte Ludwig beim Anblick dieser Schlösser, dieser Gärten und Wasseranlagen. Er begeisterte sich für das Haus Bourbon und wurde ein geradezu heftiger Freund alles Französischen.
    Er kam zu seiner Braut zurück. Die Hochzeitsvorbereitungen waren beendet, der Hofstaat der künftigen Königin zusammengestellt, die goldene Staatskarosse bereit, und farbig gedruckte Bilder des Brautpaares wurden im ganzen Land verteilt.
    Doch was war das nur? Eine amtliche Verlautbarung besagte, daß die Hochzeit abermals verschoben worden sei. Irgendein Termin wurde nicht genannt. Ludwig floh auf einmal wieder ins Gebirge, und schließlich hörte man nichts mehr. Ganz im stillen hatte der König den beleidigten Herzog Max wissen lassen, daß die Verlobung gelöst sei. Nach vielem Gemunkel und Aufsehen verlief alles im Sande. Der König führte wieder sein ungewöhnliches Einsiedlerleben und wurde zum finsteren Frauenverächter.
    Und jetzt stand der Krieg vor der Tür. Der Krieg mit Frankreich, das Ludwig liebte und verehrte, dessen Königen er nachzustreben versuchte.
    Kein Wunder also, daß die im Berger Schloß versammelten Minister und Militärs unruhig waren. Kein Wunder erst recht, daß der preußische Gesandte sehr nervös im weiten Park hin- und herging. Gewiß, kurz nach dem Friedensschluß von 66 hatte es Bismarck fertiggebracht, mit Bayern ein Militärbündnis abzuschließen. Es war ihm auch nur deshalb gelungen, weil er dem König die vertrauliche Mitteilung gemacht hatte, daß Napoleon seinerzeit, bei Ausbruch dieses unseligen deutschen Bruderkrieges, für seine Neutralität von Preußen einen Streifen bayerischen Landes verlangt habe. Das bewog den im ersten Augenblick bitter empörten Ludwig, den antifranzösischen Vertrag zu unterzeichnen. Nun waren aber Jahre darüber vergangen und der Groll des Königs längst vergessen, im Gegenteil, seit er Napoleon persönlich kennengelernt
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