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Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Das Leben ist ein listiger Kater. Roman

Titel: Das Leben ist ein listiger Kater. Roman
Autoren: Marie-Sabine Roger
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er auf mein Angebot scheißt. Und das macht mich wütend.
    Warum fühlen wir uns derart zurückgewiesen, wenn unsere Geschenke nicht gewürdigt werden?
    Als wären wir ein Leben lang Kindergartenkinder, die höchstes Entzücken in den Augen ihrer Mütter erwarten, wenn sie ihnen ihre Nudelketten überreichen.
     
    Ich finde sofort Gründe, darauf zu pfeifen: Allein zu Hause werde ich mehr Ruhe haben als mit dem Jungen am Hals. Er sieht ja nett aus, aber er scheint doch ein rechter Dickschädel zu sein. Womöglich hätte er den lieben langen Tag Rap gehört, und das hasse ich.
    Ich biete ihm meine Hilfe an, und er will nicht? Dann soll er doch sehen, wie er klarkommt, der kleine Sturkopf!
    Ich wollte ihm nur einen Gefallen tun, aber wer nicht will, der hat schon.
    Ich brauche nichts, und vor allem keine Hilfe. Ich werde schon jemanden finden, der für mich einkauft. Kein Problem, ich bin ja schon groß.
    Und so behindert bin ich auch wieder nicht.
    Der Beweis: Ich habe es ganz allein in meine Hose geschafft, in weniger als zehn Minuten … und ich freue mich darüber wie ein vierjähriger Knirps, der zum ersten Mal ganz allein seine Fingerhandschuhe anbekommt.
    Ich finde mich selbst erbärmlich.
     
    Ich gehe aus meinem Zimmer, den Kopf hoch erhoben und flotten Schritts mit meiner Krücke, um in der Cafeteria im Erdgeschoss auf andere Gedanken zu kommen. Im Aufzug schielt eine Dame mittleren Alters – das heißt jünger als ich – mit nicht zu übersehender Diskretion unter meine Gürtellinie.
    Ich lächle ihr zu, sie wendet sich ab. Ich respektiere ihre Verwirrung.
    Ich steige aus dem Aufzug aus, gehe in die Cafeteria, bestelle einen Kaffee und bleibe vor dem großen Fenster stehen, ein leises Lächeln auf den Lippen.
    Ein Pflegehelfer hält kurz bei mir an und flüstert mir zu: »Ihr Hosenladen steht offen.«

D er Urologe schaut auf einen Sprung herein, er hat es eilig, wie immer. Ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen.
    Er wirft einen letzten Blick in meine Akte, stellt mir zwei, drei schnelle Fragen, und nachdem er sich vergewissert hat, dass ich wieder pisse wie vorher, verkündet er leichthin: »Was mich betrifft, geht es Ihnen gut!«
     
    Das ist eine seltsame Art, sich auszudrücken, aber folgerichtig. So sympathisch er mich auch finden mag, sein Blick auf mich beschränkt sich dennoch auf einen ganz kleinen Bereich: die Blase, den Piephahn und die Harnröhre.
    Der Orthopäde kümmert sich um das Gerüst; der Neurologe um die Elektrizität.
    Mein Urologe ist für den Abfluss zuständig.
    Mit seinem Fliesenleger nicht über Klempnerfragen zu reden ist der Beginn der Weisheit.
     
    Die Spezialisten sind kurzsichtig wie Maulwürfe, sie sehen ihre Patienten aus nächster Nähe und haben nur den Teil von ihnen im Blick, den man ihnen unter die Nase hält.
    Ein trauriges Leben für die Proktologen.

» N a, wir werden also bald entlassen?«
    »Ja, und ›wir‹ sind nicht unglücklich darüber, das kann ich Ihnen versichern.«
    Die Stationshelferin räumt mein Frühstückstablett ab. Sie stellt sich vor mein Bett, biegt sich nach hinten und stemmt sich die Fäuste ins Kreuz, alter Reflex aller Rückenleidenden. Sie seufzt und fährt leutselig fort: »Nach all der Zeit müssen sich Ihre Lieben zu Hause nach Ihnen sehnen, wie?«
    »Nicht direkt, ich lebe allein.«
    Sie schaut mich bekümmert an. Sie traut ihren Ohren nicht.
    »Ganz allein? Keine Familie, keine Kinder?«
    »Nein, ganz allein.«
    Sie fragt ungläubig weiter: »Nicht mal ein Hund, eine Katze?«
    Ich spüre, dass ich für sie das größte vorstellbare menschliche Elend verkörpere.
    Kein Kind, kein Hund, keine Katze.
     
    Verdammt. Die Katze.
    Mit einem Schlag fällt es mir wieder ein.
    Dieser verfluchte dicke graue Kater mit den eingerissenen Ohren, der sich bei mir eingenistet hat, der mir schnurrend um die Beine gestrichen und ausdauernd auf dem Bauch herumgetrampelt ist. Ich habe ihn vor etwa zwei Monaten völlig abgemagert unten vor dem Haus gefunden. Ich weiß nicht, warum ich es zugelassen habe, dass er mir ins Treppenhaus folgte. Vielleicht wegen seiner Art, »Mrrrmauuuu« zu sagen? Sobald er in der Wohnung war, stürzte er sich mit Appetit auf meine Büchsensardinen, dann fraß er meinen Lammeintopf auf, samt Bohnen, was ich merkwürdig fand. Er machte sehr bedächtig einen Rundgang durch die ganze Wohnung. Dann suchte er sich
meinen
Platz auf dem Sofa aus und begann mit gesenktem Kopf und konzentriertem Ausdruck auf dem
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