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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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schließlich brachte sie
sogar noch einen Apfel für jeden. Wir unterhielten uns mit Händen und Füßen und
glaubten zu verstehen, dass ihre Tochter Madeleine im nächsten Ort Valcarlos in
der Gemeindeverwaltung die Stempel verteilte. Martin ließ sich wie immer nicht
aus der Ruhe bringen; er war wohl nicht halb so aufgeregt wie ich. Ich wollte
endlich meinen Weg beginnen, wollte wissen, wie schwierig es sein würde, mit
dem schweren Rucksack längere Zeit zu laufen, wollte wissen, wie lange meine
Kraft reichen würde, ob ich mit dem Laufen meine innere Unruhe bekämpfen
konnte, mein Gedankenkarussell durchbrechen...
    Endlich
standen wir beide auf der Straße, begleitet von vielen guten Wünschen, mit
einem französischen Lied im Ohr und einem freundlichen Lächeln von der Frau,
die uns vor einer Stunde noch völlig unnahbar erschienen war!
    Sollte
das schon das erste kleine Wunder des Weges gewesen sein? „Buen camino!“, das
bedeutet auf Spanisch: „Guten Weg!“ Die alte Frau stand noch in der Tür und
winkte, als wir schon wieder am Pilgerbüro vorbeiliefen.
    In
einer großen Kaufhalle deckten wir uns mit Obst, Brot, Käse, Süßigkeiten und
Getränken ein, so viel, wie wir dachten tragen zu können, und dann ging es
endlich richtig los.

2. Pyrenäenüberquerung oder: Auch
schlechten Umständen lässt sich etwas Gutes abgewinnen
     
    Der
Himmel war bedeckt und die Luft angenehm kühl; ideales Laufwetter, na super!
Wir gingen zunächst die Asphaltstraße entlang, ehe wir dann auf einen Feldweg
abbogen. Es ging ständig bergauf und bergab, an einsamen, teilweise verfallenen
Höfen vorbei, durch Felder und Wälder an einem munteren Flüsschen entlang. Wir
schauten uns um und sahen die kleine Stadt mit ihrer großen Burg im Tal
verschwinden, während sich vor uns steil die Pyrenäen auftaten. Auf den Gipfeln
lag noch Schnee und über tausend Meter Höhenunterschied wollten von uns noch
bewältigt werden! Wir durchquerten ein kleines Dorf, das von dem Fluss geteilt
wurde, der hier gleichzeitig die Grenze zu Spanien bildete. So gehörte die eine
Hälfte des Dorfes noch zu Frankreich, während die andere Hälfte schon zu
Spanien gehörte! Spanien! Juhu!
    Später
wurde der kleine Fluss zu einem rauschenden Wildbach, zu dem uns ein immer
schmaler werdender Pfad mal hinab und dann wieder steil zur Landstraße hinauf
führte. Manchmal kam uns unser Wegweiser, der gelbe Pfeil, wie Schikane vor,
weil wir doch immer wieder auf der Asphaltstraße landeten.
    Wir
hatten schon bemerkt, dass einige „Rucksäcke“ einfach nur der Landstraße
folgten, weil die nicht ganz so steil war, aber den Clou stellte ein französisches
Auto mit zwei Frauen dar, das an jeder Einbuchtung der Straße stand. Wir
grüßten jedes Mal freundlich, ohne den Sinn zu verstehen, bis wir erkannten,
was es damit auf sich hatte. Dieses Auto, das wir auch später noch öfter sahen,
gehörte zu einer Gruppe von sieben Franzosen und diente als Gepäcktransport. An
den Einbuchtungen warteten immer zwei Personen (die sich auch mal abwechselten)
und versorgten die anderen mit Proviant. Gute Idee, aber wir wollten als
richtige Pilger unser Gepäck selbst tragen und das wurde immer schwerer und
schwerer, obwohl wir zwischendurch öfter Pause machten und dabei das Gewicht
durch das Verbrauchen von Nahrung und Getränken zu verringern versuchten.
Zwischendurch begann es auch mal zu regnen und ich konnte mein neues leuchtend
rotes Cape testen. Dabei musste ich innerlich lächelnd an Hape denken, der auch so ein rotes Cape getragen hatte. Er war auf dieser ersten
Etappe bei Nebel und Regen völlig erschöpft und allein gewesen und hatte
gehofft, dass er dadurch wenigstens leichter gefunden werden würde, falls er
entkräftet liegen bleiben sollte. Nach etwa fünf Stunden anstrengenden Laufens
erreichten wir den Ort Valcarlos, unser heutiges Etappenziel, ein kleines
Bergdorf mit einer einladenden Pension am Ortseingang. Valcarlos wurde nach
Karl dem Großen benannt, der sich im neunten Jahrhundert mit seiner Armee vor
den Muslimen in dieses Tal zurückzog, während seine Nachhut oben auf dem Pass
unter Ritter Roland den Heldentod starb. Mit Karl dem Großen begannen später
die ersten Pilgerreisen nach Santiago de Compostela und man kann diesen
historischen Spuren noch öfter auf diesem Weg begegnen.
    Wir
beschlossen, erst mal einen Kaffee trinken zu gehen, und trafen dabei das
holländische Ehepaar Olga und Jan, das wir schon am gestrigen Abend in einem
Restaurant
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