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Das Leben in 38 Tagen

Das Leben in 38 Tagen

Titel: Das Leben in 38 Tagen
Autoren: Cornelia Scheidecker
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eines Nachbarortes verbracht hatten.
Damals war ich sehr erstaunt, als meine Eintrittskarte die Nummer 350 trug und
ich bei der anschließenden Verlosung neben acht Nieten einmal ebenfalls die
Zahl 350 zog und einmal die Zahl 305! Die ganze Zeit hatte ich schon erfolglos
nach einer möglichen Bedeutung dieser Ziffern gesucht, und nun das! Wenn das
kein gutes Omen war! Also hatte mich mein inneres Gefühl doch nicht getäuscht
und der Himmel wollte mir anscheinend zeigen, dass dieser Weg der richtige für
mich sein sollte.
    Nach
ziemlich intensiver Vorbereitung mit der Unterstützung meiner Familie (die wohl
auch endlich mal wieder eine lebenslustige Mutter haben wollte) wurde es am 10.
April 2007 ernst. Wir hatten Ostern zu viert noch einmal als vollständige
Familie genossen. Mein älterer Sohn Martin, der in Berlin wohnte und studierte,
war gekommen und hatte sich glücklicherweise bereit erklärt, mich den ersten
Teil der Strecke über die Pyrenäen zu begleiten. Da er ein halbes Jahr in
Madrid gelebt hatte, konnte er mir bestimmt ein paar gute Tipps geben, und mit
einem Mann an der Seite fiel mir der Beginn dieses Abenteuers doch gleich viel
leichter.
    Vom
Flughafen Frankfurt/Hahn ging es nach Biarritz an die südfranzösische
Atlantikküste. Nach einer kurzen Busfahrt landeten wir in Bayonne, wo wir noch
etwas Zeit hatten, die malerische Kleinstadt anzusehen und die warme
Frühlingssonne am Fluss Artur zu genießen. Mit dem Bummelzug, dem eigentlich
nur noch eine Dampflok zur Idylle fehlte, fuhren wir danach durch eine
herrliche bergige Landschaft, am Fluss Nive entlang immer weiter Richtung
Pyrenäen unserem ersten Ziel entgegen: St.-Jean-Pied-de-Port.
    Meine
Gedanken während der Bahnfahrt wechselten zwischen Aufregung, Spannung und
Freude. Aber die Zuversicht überwog. Was Hape ohne
sportliche Vorbereitung und mit Übergewicht geschafft hatte, das würde ich ja
mit meinem fast regelmäßigen Joggen oder Walken wohl auch schaffen! Endstation
St.-Jean-Pied-de-Port!
    Etwa
zehn anhand der Rucksäcke und des Outfits als Pilger auszumachende Menschen
unterschiedlichen Alters und einige wenige Einheimische bewegten sich nun auf
die kleine Stadt zu, die wunderschön an einem Berg lag und von einer imposanten
Burg sowie dem Hochgebirge im Hintergrund umrahmt wurde. Hier schien sich seit
dem Mittelalter kaum etwas verändert zu haben. Beschauliche Ruhe, passend zu
dem kleinen Fluss, der still die Stadt durchzog, empfing uns an diesem
Nachmittag.
    Wir
gingen den anderen Rucksäcken hinterher und kamen durch kleine uralte Gassen,
immer bergauf bis an unser erstes Ziel: das Pilgerbüro. In einem ebenso uralten
dunklen Haus aus dicken grauen Sandsteinmauern, ebensolchem Boden und winzigen
Fenstern warteten wir geduldig, bis wir an der Reihe waren. Aufregung und Stolz
spielten Fangen in meinem Kopf. Wie würde es nun weitergehen? Würden wir in
einem solchen kalten, dunklen Haus etwa auf dem Boden unsere Schlafsäcke
ausbreiten müssen oder sollte man sich lieber eine Privatunterkunft suchen?
    Die
einheimischen Franzosen in dem Pilgerbüro, die fast alle ehrenamtlich
arbeiteten, sprachen nur wenig Englisch. Wir verstanden aber, dass der Pass
über die Pyrenäen, den wir in den nächsten beiden Tagen überqueren wollten,
gesperrt war, weil es sehr geregnet und ganz oben wohl auch noch geschneit
hatte. In der letzten Woche war erst wieder ein Engländer da oben gestorben!
Das beeindruckte uns natürlich, obwohl ich sehr gern diesen Weg, der
landschaftlich besonders schön sein sollte, gegangen wäre. Aber ich wollte ja
nichts übers Knie brechen und vor allem wollte ich meine Reise bis Santiago
durchstehen!
    So
nahmen wir nun stolz unseren ersten Stempel in unserem Pilgerausweis entgegen,
kauften eine Muschel für unseren Rucksack, die uns als Pilger kennzeichnen
sollte, und erhielten zusätzlich noch eine Karte für die Pyrenäenüberquerung
sowie ein Verzeichnis aller Herbergen auf dem Weg. Gespannt folgten wir dann
einer älteren Französin in die Gemeindeherberge ein paar Häuser bergauf. Das Haus
sah genauso aus wie das Pilgerbüro, so wie bei uns die alten Kirchen aussehen.
Über mehrere Steintreppen und dunkle Flure ging es wie in einen Keller hinab.
Drei Räume mit jeweils acht Doppelstockbetten und einem winzigen Fenster lagen
übereinander. Duschen und Waschbecken waren durch eine dünne Wand abgeteilt und
es gab insgesamt zwei Toiletten, wahlweise eine Treppe tiefer oder eine Treppe
höher, aber es war relativ
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