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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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steht Deutschland noch bevor, wenn wir endlich mitbekommen, dass auch wir hier nicht den Mittelpunkt der Welt bilden.
    So ein Kloster, wie Sie es hier sehen, versteht sich nicht als Tresor mit vielen Schließfächern, in denen die Brüder den eigenen Wert konservieren. Franziskus von Assisi, unser Ordensgründer, war sogar ganz gegen Klöster: Er setzte einfach nur auf Begegnung. Seine Idee war die einer verbindlichen Brüderlichkeit, die unter denen herrschen sollte, die beim Eintritt in die Gemeinschaft auf jeden persönlichen Besitz verzichtet und sich voneinander abhängig gemacht hatten. Deswegen wurde er selbst auch der Poverello genannt: einer, der sich ganz arm gemacht hat. Die eigentliche Klosterzelle, so sagte er, sei für den franziskanischen Bruder das Ordensgewand und die noch kleinere der eigene Leib. In dieser Weisung steckt Musik. Die Brüder sollten ganz offen und frei sein für den Kontakt zum Mitmenschen. Die selbstgewählte Besitzlosigkeit öffnete ihnen dafür die Türen. Wer keine Angst davor habe, etwas zu verlieren, so sagte Franziskus, könne ohne Furcht auf andere zugehen. Er brauche auch keine Waffen, um sein Eigentum zu verteidigen. So sehen Friedensboten aus! Sie können die Furcht der Menschen voreinander aufbrechen. Deswegen gab ihnen Franziskus auch den Auftrag, folgenden Gruß zu sprechen: «Der Herr gebe dir den Frieden!»
    Wenn Sie sich nun mit mir ins Kloster begeben, sind Sie herausgefordert, aufzugeben, was sie an Bildern über unser Leben besitzen. Wenn Sie offen sind, werden Sie auch Bilder vergessen wollen, die Sie über Ihr eigenes Leben haben. Aus unseren Vorstellungen über das Leben müssen Begegnungen werden, die einen wirklich leben lassen und Lust an der eigenen Gestaltung wecken. Als ich zum entscheidenden Gespräch mit dem damaligen Provinzial der Kapuziner die Schwelle seines Klosters in Münster überschritten hatte, holte mich der Bruder schnell auf den Boden der Wirklichkeit zurück. Er gestand mir, dass er, derObere, am Vorabend noch einen richtigen Krach mit den Brüdern gehabt habe. Das hat mir sehr imponiert damals. Und ich bekam Lust auf ein Leben, das so ehrlich geführt werden darf, dass auch Niederlagen benannt werden können.
    Damit man die Werte erreichen kann, die hinter dieser Lebensauffassung stecken, braucht man einen Schutzraum. Die Klostermauer steht für den Rahmen, den so ein Wachstumsprozess braucht. Weil darin die Begegnung mit den Brüdern und mit Gott eine Rolle spielt, sind diese feste Klostermauer und die Tagesordnung im Gemeinschaftsleben hilfreich. Die Begrenzung gibt gleichzeitig den Freiraum für den spirituellen Wandlungsprozess, in den wir uns hineinfallen lassen. Sie werden diesen sichtbaren, erfahrbaren und begreifbaren Rahmen in den nächsten Kapiteln dieses Buchs noch näher kennenlernen. Auf unserer Besichtigungstour zeige ich Ihnen, wie wir regelmäßig beten, was uns das Essen bedeutet und wie wir unsere Termine und Orte für das gemeinschaftliche Gespräch gestalten.
    Eine Klosteranlage schlägt Ihnen vor, nach dem Schutzraum für Ihr Leben zu fragen. Sie haben das Recht, nicht alles an sich herankommen lassen zu müssen. Sie müssen auch nicht alles aufbewahren, was da einmal hereingekommen ist. Trennen Sie sich von Dingen, die unwichtig geworden sind. Die Ausstattung Ihrer Wohnung darf wohlüberlegt sein. Sie sollte ein Spiegel Ihrer Persönlichkeit sein. Auch müssen Sie nicht immer für jeden und alles offen sein. Jeder darf sich Zeiten der Unerreichbarkeit einräumen. Lernen Sie von den Klostermauern, dass Telefonanrufe und E-Mails auch einmal außen vor bleiben dürfen, sprich: Sie müssen nicht immer parat stehen für all das, was an Sie heranbrandet. Und noch einmal zum Fernseher: Sie müssen keinen haben. Ob es eine Lösung ist, wie ich es immer öfter höre, den Apparat in die Abstellkammer zu bringen, um sich ganz von diesenEindrücken abzuschließen, bezweifle ich; das hört sich eher an wie eine Bankrotterklärung. Besser ist es, wie wir zu sagen: «Ja, wir haben einen Fernseher – aber wir sind so frei, den Takt für unser Leben selbst zu bestimmen.» Auch für die Zeiten, in denen wir uns informieren oder unterhalten sein wollen.
    Ein Kapuzinerkloster, wie Sie es hier sehen, ist keine imposante Erscheinung. Manche, ich sprach bereits davon, wird allein das schon enttäuschen. Vielleicht haben auch Sie eher an die großen Anlagen gedacht, die der Orden der Benediktiner hervorgebracht hat. Deren Lebenskonzept ist
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