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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe.› Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt.» . (Lk 4,16   –   21)
    Die Spannung, die Jesus um sich herum aufbaute, wird in diesem Text greifbar. Nacktes Entsetzen muss die Menschen gepackt haben, da Jesus fast lapidar sagt: «Worauf ihr wartet, ist heute schon da.» Als sie ihm entgegenhalten, er sei ja nur ein Handwerkersohn, setzt er hinzu: «Amen, das sage ich euch: Kein Prophet wird in seiner Heimat anerkannt.» Jesus bringt ihnen in Erinnerung, dass auch der große Elija von seinem eigenen Volk nicht gehört wurde: «Als die Leute in der Synagoge das hörten, gerieten sie alle in Wut. Sie sprangen auf und trieben Jesus zur Stadt hinaus; sie brachten ihn an den Abhang des Bergs, auf dem ihre Stadt erbaut war, und wollten ihn hinabstürzen. Er aber schritt mitten durch die Menge hindurch und ging weg.» . (Lk 4,28   –   30)
    Die Vollmacht für diese Grenzüberschreitungen hat er von Gott. So sehen es zumindest einige, die seine Jünger werden. So werden es auch jene sehen, die sich Christen nennen. Sie bekennen, dass Jesus auch zur letzten Grenzüberschreitung fähig war: Er hatte sogar die eigene Tötung – freilich immer im Vertrauen auf Gott – zugelassen, weil er fälschlicherweise von den Römern angeklagt werden konnte, er wolle auch ihnen ihren Besitz streitig machen.
    Gottes Antwort auf den Versuch, das Anliegen Gottes in dieser Welt zu vernichten: Gott erweckt Jesus aus dem Tod und stellt ihn selbst und seine Botschaft den Menschen neu zur Verfügung. Franziskus hat dies unmittelbar verstanden. So überzeugend, dass er schon kurz nach seinem Tod der neue Christus genannt wird.
    Er will Jesus präsent machen. Oder besser: Er lässt sich vom auferstandenen Jesus so in Beschlag nehmen, dass dieser durch ihn wirken kann. Ohne diese religiöse Dimension macht man Franziskus und alles soziale Engagement zu einer Leistung, diewir Menschen aus uns heraus fertigbringen könnten. Jeder, der es versucht, wird sich am Ende aber als gescheitert erleben. Die Einladung zum Glauben ist die Einladung, nicht allein loszuziehen, sondern mit Gott und mit den Menschen an der Seite. Freilich muss man dafür bereit werden, seine Insel zu verlassen und endlich die Hilfe anzunehmen, die Gott einem gibt.
    Hier kommen wir zu dem Punkt, der den Kapuzinern den Namen Bettelorden eingebracht hat. Mit seinen Brüdern steht Franziskus dazu und weiß, dass er auf Gott angewiesen ist. Das fällt ihm umso leichter, als er erkennt, wie sehr Gott auf ihn und alle Menschen angewiesen ist. Gott bettelt um Nachfolger für Jesus. Die Nachfolger Jesu betteln darum, dass Menschen sich für Gott und ihre Mitmenschen öffnen. Es geht dabei nicht um ein Projekt, an dem man bauen möchte wie an einer riesigen perfekten Stadt. Franziskus hat vielmehr das Heute im Sinn, das Jesus wichtig war: Die neue Welt beginnt mit jedem, der aufhört, sich gegen Gott und seine Mitmenschen zu behaupten. Alles andere wird uns nach einem weiteren Wort Jesu hinzugegeben werden.
    Es geht also weniger darum, den Armen zu helfen. Es geht um weit mehr. Walter Schmidbauer, einem deutschen Psychotherapeuten, kommt das Verdienst zu, die Machtausübung im Helfen thematisiert zu haben. Wer hilft, sitzt am längeren Hebel. Wer hilft, hat seine Vorstellungen, was für den anderen bestimmt gut ist. Bei Einstellungsgesprächen mit Zivildienstleistenden für unsere Obdachlosenhilfe in Frankfurt am Main habe ich den jungen Leuten deshalb gesagt: Sie müssen auch bereit sein, unseren Gästen nicht helfen zu wollen.
    Jesus kam es nicht darauf an, als großer Helfer der Menschheit in die Geschichte einzugehen. Er wollte keine Bewunderer, sondern Nachahmer. Er zog durch die Gegend, um den Armendie Frohe Botschaft zu bringen, und zwar so, dass er mit seinen Jüngern selbst das Schicksal der Armen teilte. Es ging ihm um einen Frieden, der auf allen Ebenen die Trennung der Menschen von Gott und die Trennung der Menschen untereinander aufhebt. Denn Trennung bedeutet Isolation. Und Isolation ist Gewalt. Gewalt gegen sich selbst, weil man sich aus Angst
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