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Das Leben Findet Heute Statt

Das Leben Findet Heute Statt

Titel: Das Leben Findet Heute Statt
Autoren: Bruder Paulus Terwitte
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oder aus Selbstsucht der Kommunikation mit anderen entzieht. Gewalt gegen andere, weil man anderen nicht den Zugriff auf persönliche Möglichkeiten gestattet.
    Das ist der wichtigste Punkt der Botschaft Jesu, den Franziskus intuitiv aufgriff und der uns Kapuziner bis heute bestimmt: Das Reich Gottes ist keine schöne Welt, auf die wir uns alle nur freuen sollen. Das Reich Gottes ist eine Wirklichkeit, die Gott geschaffen hat. Es ist menschenmöglich. Es duldet keinen Aufschub. Es fordert heraus. Es ruft zur Entscheidung. Es ist nicht eine geistige Kraft, geeignet für Sonntagsreden. Es will zur Tat werden. Eine Tat, die das Ziel heute schon verwirklicht.
    Dazu muss sich jeder bewegen. Das kann keinen ruhig lassen. Franziskus und wir Kapuziner lassen uns von der Unruhe des Reiches Gottes anstecken. Blicken wir noch einmal mit dem sympathischen Sänger des Sonnengesanges ins Evangelium: Bezeichnenderweise wird Jesus nach der Heilung eines Gelähmten von offensichtlich im Begreifen gelähmten Schriftgelehrten gefragt, wann das Reich Gottes komme. Jesus aber überhört die Frage nach dem Wann, sondern erkennt, dass die Fragenden Erkenntnisprobleme haben. Deswegen antwortet er ihnen: «Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es an äußeren Zeichen erkennen könnte. Man kann auch nicht sagen: ‹Seht, hier ist es!›, oder: ‹Dort ist es!› Denn: Das Reich Gottes ist schon mitten unter euch» . (Lk 17,20   -   21). Damit machte er klar: Es hat einen Namen. Jesus.
    Das christliche Abendland ist dabei, diesen Namen zu verspielen. Sosehr es Vorwürfe aus unserer Sicht gegen die Kirche durch die letzten zwei Jahrtausende gegeben haben mag: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Jesus entlarvte in harschen Worten die Frömmigkeit der Vertreter der offiziellen Religion seiner Zeit als pure Selbstsucht. Ebenso enttarnte er die römischen Besatzer mit ihrer Strategie der Unterdrückung, die sie auch noch «pacare» nannten, was so viel wie «befrieden» heißt.
    Franziskus wurde, so sagen wir Kapuziner, von Jesus im 13.   Jahrhundert in Dienst genommen, die bleibende Gegenwart des Reiches Gottes im auferstandenen Jesus durch ein einfaches Leben des Evangeliums umzusetzen. So trat er ohne viele Worte in die Fußspuren seines Herrn, denen er, wie er wörtlich schreibt, allezeit nachfolgen wollte.
    Er entlarvte den Machtweg der Kirche seiner Zeit als widersprüchlich zum Evangelium. Er stellte seinen Vater bloß, den erfolgreichen Kaufmann, und machte klar, wie selbstsüchtig Geld und Besitz machen.
    Als Kapuziner versammelten sich im 16.   Jahrhundert einige Männer, die von der ursprünglichen Inspiration des Franziskus so sehr ergriffen waren, dass sie die Sicherheiten ihrer bis dahin gewachsenen Ordensstruktur aufgaben. Sie stellten sich neu der Erfahrung der ersten Christen mit dem auferstandenen Jesus: «Sie hielten an der Lehre der Apostel fest und an der Gemeinschaft, am Brechen des Brotes und an den Gebeten.» . (Apg 2,42)
    Die Kapuziner zogen sich zurück von der Welt. In Einsiedeleien gaben sie dem Gebet den Vorrang. Von dort aus nahmen sie die Herausforderungen ihrer jeweiligen Zeit an. Sie entlarvten eine christliche Gesellschaft, die sich der Pestkrankendurch Ausgrenzung entledigen wollte, und packten im 17.   Jahrhundert unter anderem bei diesem Problem beherzt mit an. Sie deckten eine Gesellschaft auf, die nur einigen wenigen Bildung zukommen ließ, und gründeten im 18. und 19.   Jahrhundert Schulen und Internate für jene, die sich sonst keine Schulbildung hätten leisten können. Sie entlarvten den Erfolgsweg, sich an den Gütern dieser Welt für das eigene Leben zu bereichern, und brachen zu den Eigentümern dieser Güter auf, die ohnmächtig mit ansehen mussten, wie man ihnen ihre Lebensgrundlagen entführte. Sie verbanden die Verkündigung des Evangeliums dort mit der Bildung der Menschen Chinas, Lateinamerikas und Afrikas und legten so die Grundlagen für ein neues Bewusstsein von Gerechtigkeit und Frieden, die allen Völkern dieser Erde zustehen.
    Heute leben wir etwa mit einer Gemeinschaft von Brüdern in einem Eingeborenendorf des Stammes der Lencas in Honduras und nehmen an der Armut der Einheimischen und an ihrem Kampf gegen Ungerechtigkeit teil. Wir nutzten unsere Fähigkeiten und erreichten auf diese Weise, dass einer dieser Brüder, Emilio Gavarrete, im Jahr 2004 vor den Vereinten Nationen gesprochen hat. Er zeigte die Unterdrückung der Lencas durch die Regierung auf und
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