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Das Leben dahinter (German Edition)

Das Leben dahinter (German Edition)

Titel: Das Leben dahinter (German Edition)
Autoren: Chris Bergner
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gerichtet“, flüsterte sie weiter. Ihr Blick folgte der Linie, die in der Höhe verblasste. „Wir hatten vor einer halben Stunde eine Drohne dort, die genau darüber hinweg geflogen ist. Eine geringfügig andere Route und das Ding würde immer noch unbemerkt dort liegen.“
    Er sah zu der runden Karte herab, die dort lag und eingeschnappt wirkte, weil niemand mehr mit ihr spielte. Er fragte sich, wie lange dieses Objekt wohl schon dort war – allein im Eis. Dann sah er zu Singh hinüber, die auf der anderen Tischseite verharrte. Erst jetzt bemerkte er, dass sein Blick unscharf geworden war. Ein Schleier, der unendlich oft das Licht brach, lag zwischen ihm und der jungen Frau und hüllte sie in eine schwache Korona ein.
    „Ich gehe davon aus, dass Sie es sich vor Ort ansehen wollen“, stellte er fest, doch selbst er konnte seinen eigenen müden Ton kaum noch überhören.
    „Richtig“, antwortete sie. „Und ich gehe davon aus, dass wir das lieber auf morgen verschieben sollten. Ist ja nun auch kein Fünf-Minuten-Trip.“
    Die Lautstärke war wieder auf Normalmaß angewachsen. Sie griff auf den Tisch und steckte den Speicher ein.
    „Nun... Entschuldigen Sie bitte die späte Störung, ich wollte eigentlich nur, dass sie dieses Ding schon einmal gesehen haben, bevor wir es gemeinsam unter die Lupe nehmen. Gute Nacht.“
    Damit drehte sie sich Richtung Tür und durchschritt sie ohne ein weiteres Wort. Obwohl sie ihn nicht mehr sehen konnte, nickte er gähnend , als sich die Tür hinter ihr schloss.
    Dann ließ er seinen trüben Blick schweifen. Wieder verstummt hatte der Raum plötzlich eine ganz andere Qualität, war fast zu gleichen Teilen in gelbes, weiß-blaues und rötliches Licht getaucht. Halbhohle Schatten prangen an jeder Oberfläche und hinter dem Fenster war es nun so dunkel, dass er den Schnee, der dort mit absoluter Sicherheit noch immer fiel, nur noch erahnen konnte. Ein Schauspiel realer Unwirklichkeiten mit zarten Nuancen einer gemalten Traumwelt. Eigentlich ganz schön, aber wohl hier fühlte er sich dennoch nicht.
    Seltsamer Besuch! Kurz, verwirrend und wenig aufschlussreich... Und ganz besonders war es einer, der bis morgen Früh hätte warten können. Sie hatte ihm auch keine einzige Frage gestellt. Was er davon hielt oder was das sein könnte oder was sie tun sollten. War so schnell verschwunden wie sie gekommen war. Als er zum Terminal ging und das Objekt – an den Kanten abgerundet und insgesamt irgendwie amorph – noch einmal kurz musterte und das holographische Imitat dann ins Nichts verschwinden ließ, überlegte er sich auch, warum sie es nicht in das Netzwerk geladen hatte. Ihre Spitze hatte sicher nichts mit dem wahren Grund zu tun gehabt.
    Irgendetwas war eigenartig und wäre sein Kopf nicht schon im Leerlauf gewesen, wäre es ihm vielleicht auch aufgegangen.
    Er setzte sich wieder in den Sessel, der wohlwollend sein Gewicht aufnahm, wissend, dass er sicherlich gleich hier einschlafen würde. Und ebenso wissend, dass er nicht lange schlafen würde.
    „Privatmodus beenden! Wecker auf halb sieben“, murmelte er in den Raum, der sich bewusst war, dass sonst niemand hier war. Ein kurzes Piepsen zur Bestätigung und ein lautes, krächzendes, intervallweises Geräusch würde ihn in etwa sieben Stunden wecken.
    Leben als Mensch kann lustig sein – alles wird besser, aber nichts ändert sich , sinnierte er und wusste nicht genau warum. Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, drängten sich unendlich viele Erinnerungsfetzen, Musikhäppchen, große Ideen und zusammenhanglose Bildsequenzen in  seinen Kopf und er schlief ein.

Theoretische Analytik
     
    Etwa sieben Stunden später weckte ihn ein lautes, krächzendes, intervallweises Geräusch. Er hatte gerade nicht geträumt, war im Tiefschlaf, deshalb zog es ihn ganz langsam zurück. Halb gähnend winkte er ab, worauf der Wecker sofort verstummte. Während er noch auf seinem Sessel hing, überlegte er, ob er wohl etwas Mitreißendes geträumt hatte oder woher sonst dieses eigenartige, leicht aufgeregte Gefühl im Magen kam. Dann fiel ihm Singh ein und das Karmesinobjekt und dass er sich langsam mal bewegen sollte, damit das Krächzen nicht wieder losging. Wecker mit Totmannschaltung , dachte er. Die Zukunft!
    Er schickte sich an, einen gekonnten Satz aus dem Sessel zu machen, musste jedoch feststellen, dass er nicht mehr der Jüngste war und seine Beine dabei gegen die Schwerkraft verloren. Wie Fallobst landete er wieder auf dem
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