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Das Landmädchen und der Lord

Das Landmädchen und der Lord

Titel: Das Landmädchen und der Lord
Autoren: ANNE HERRIES
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Gesicht Ärger und Empörung wider.
    Susannah sah sich noch einmal im Salon um. In verschiedenen gedämpften Grün- und Weißnuancen gehalten, erzeugte das Dekor eine behagliche Atmosphäre. Wahrscheinlich waren die Vorhänge jahrelang nicht erneuert worden. Auch andere Dinge wirkten etwas abgenutzt. Doch das störte sie nicht, denn sie zog die komfortable Aura einer Eleganz nach der neuesten Mode vor. In diesem Raum hatte man das Gefühl, jemand wäre hier sehr lange glücklich und zufrieden gewesen. Auf einem Wandtischchen lag ein Buch, neben einem Lehnstuhl stand ein Nähkorb. Und das Pianoforte schien oft benutzt zu werden. Ein hübscher Ständer enthielt mehrere leicht vergilbte Notenblätter.
    Nachdem Amelia mit einem Glöckchen geläutet hatte, trug ein Butler ein großes Silbertablett in den Salon. Ein Dienstmädchen folgte ihm und stellte ein exquisites Teegeschirr und Platten mit kleinen Kuchen und Sandwiches auf einen Beistelltisch. Sobald der Tee eingeschenkt war, stand Susannah auf, um ihrer Mutter und der Hausherrin die Tassen zu reichen.
    „Ich habe einigen Freundinnen geschrieben, wann wir in London ankommen werden“, berichtete Amelia. „Daraufhin erhielt ich bereits ein paar Einladungen. Sicher wird man uns noch andere schicken. In der ersten Woche gebe ich eine Dinnerparty. Und wenn Susannah Freundinnen gefunden hat, veranstalten wir einen kleinen Tanzabend.“
    „O Ma’am, auf ein eigenes Tanzfest wagte ich gar nicht zu hoffen!“, rief Susannah. „Wollen Sie sich meinetwegen wirklich so viel Mühe machen? Wo Sie doch ohnehin schon so viel für uns tun! Und wir gehören nicht einmal zu Ihren Verwandten …“ Zu spät erkannte sie, dass sie Miss Roystons Familie besser nicht erwähnen sollte. Verlegen errötete sie, senkte den Kopf und knabberte an einem Stück Mandelkuchen.
    „Aber wir sind gut befreundet“, erwiderte Amelia nach einer kurzen Pause. „Es gab eine Zeit, da war deine Mama die einzige Freundin, der ich trauen konnte, und ihr beide steht mir näher als meine Familie. Außerdem ist es nicht mühsam, eine Tanzparty zu organisieren. Den Großteil der Arbeit nimmt mir das Personal ab.“ Bevor sie weitersprach, lachte sie leise: „Ich tanze sehr gern. Und es bereitet mir Freude, junge Leute zu beobachten, die sich amüsieren.“
    „Jetzt redest du so, als hättest du die Jugend schon hinter dir“, warf Margaret Hampton ein und schüttelte den Kopf. „Du bist immer noch jung genug, um zu tanzen und das Leben zu genießen.“
    „Ja, vielleicht – wenn jemand mit mir tanzen will …“ Miss Royston wandte sich wieder zu Susannah. „Bitte, meine Liebe, nenn mich Amelia – zumindest wenn wir unter uns sind. Du sollst mich wie eine sehr enge Freundin behandeln. Oder wie eine ältere Schwester.“
    „Oh, vielen Dank. Ja, wenn wir allein sind …“
    „Gut. Du musst dich bei mir wohl und unbefangen fühlen. Inzwischen wurde euer Gepäck nach oben gebracht. Aber die Dienstmädchen haben nur die kleinen Reisetaschen ausgepackt, weil wir übermorgen nach London aufbrechen.“
    „Das ist mein erster Besuch in London. In Bath war ich schon zwei Mal. Da ging Mama mit mir ins Theater und in schöne Geschäfte. Sicher ist London viel grandioser.“
    „Anfangs wird es dir fremdartig erscheinen, doch du wirst dich bald eingewöhnen. Es gibt dort viele Theater und elegante Läden.“ Amelia lächelte freundlich. „Komm, gehen wir nach oben, Susannah. Soviel ich weiß, hast du dein Zimmer noch gar nicht gesehen.“
    Sie verließen den Salon, und während Susannah hinter der Gastgeberin die breite Treppe hinaufstieg, musterte sie die Porträts an den Wänden.
    Das Zimmer, das sie bewohnen sollte, war sehr hübsch, in Blau und Weiß dekortiert und offenbar erst vor Kurzem neu eingerichtet worden. Anscheinend hatte Miss Royston die Trauerzeit genutzt, um einen Teil des Hauses nach ihrem eigenen Geschmack zu gestalten. Den Salon im Erdgeschoss hatte sie unberührt gelassen – vielleicht weil er so gemütlich war. Wie sie den Raum hier oben ausgestattet hatte, fand Susannah perfekt. Sie stellte sich vor, ein großes Haus herzurichten, so wie es ihr gefiel. Dafür braucht man allerdings sehr viel Geld, dachte sie wehmütig.
    Allein in ihrem Zimmer, seufzte sie voller Sehnsucht nach einer Romanze. Doch sie wusste, was sie ihrer Mutter schuldig war. Mama müsste in einem Haus wie diesem leben, nicht in einem bescheidenen Cottage. Und das wird nur geschehen, wenn ich eine gute Partie mache
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