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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen
Autoren: Nicolas Barreau
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mochte, war für mich,
Aurélie Bredin, ziemlich gering.
    Entschlossen
stieß ich die Tür zu dem kleinen Schirmgeschäft auf und kaufte einen himmelblauen
Regenschirm mit weißen Punkten und einem Entenkopfgriff, der die Farbe eines
Karamelbonbons hatte.
     
    Es
wurde der längste Spaziergang meines Lebens. Nach einer Weile verschwanden die
Modegeschäfte und Restaurants, die rechts und links des Boulevards lagen, und
wurden zu Möbelgeschäften und Fachgeschäften für Badezimmereinrichtungen, und
dann hörten auch diese auf, und ich zog meine einsame Bahn durch den Regen,
vorbei an den steinernen Fassaden der großen sandfarbenen Häuser, die dem Auge
wenig Ablenkung boten und meinen ungeordneten Gedanken und Gefühlen mit
stoischer Ruhe begegneten.
    Am
Ende des Boulevards, der auf den Quai d'Orsay stößt, bog ich rechts ab und
überquerte die Seine Richtung Place de la Concorde. Wie ein dunkler Zeigefinger
ragte der Obelisk in der Mitte des Platzes auf, und es kam mir so vor, als
hätte er in seiner ganzen ägyptischen Erhabenheit nichts zu tun mit den vielen
kleinen Blechautos, die ihn hektisch umkreisten.
    Wenn
man unglücklich ist, sieht man entweder gar nichts mehr und die Welt versinkt in
Bedeutungslosigkeit, oder man sieht die Dinge überdeutlich und alles bekommt
mit einemmal eine Bedeutung. Sogar ganz banale Dinge, wie eine Ampel, die von
Rot auf Grün springt, können darüber entscheiden, ob man nach rechts oder nach
links geht.
    Und
so spazierte ich wenige Minuten später durch die Tuilerien, eine kleine
traurige Gestalt unter einem getupften Regenschirm, der sich langsam und mit
leichten Auf-und Abwärtsbewegungen durch den leergefegten Park bewegte, diesen
Richtung Louvre verließ, bei Einbruch der Dämmerung am rechten Ufer der Seine
entlangschwebte, vorbei an der Île de la Cité, vorbei an Notre-Dame, vorbei an
den Lichtern der Stadt, die allmählich aufleuchteten, bis er schließlich auf
dem kleinen Pont Louis-Philippe, der zur Île Saint-Louis hinüberführt, anhielt.
     
    Die
tiefblaue Farbe des Himmels legte sich über Paris wie ein Stück Samt. Es war
kurz vor sechs, der Regen hörte allmählich auf, und ich lehnte mich ein wenig
erschöpft über die Steinbrüstung der alten Brücke und starrte nachdenklich in
die Seine. Die Laternen spiegelten sich zitternd und glitzernd auf dem dunklen
Wasser - zauberhaft und zerbrechlich wie alles Schöne.
    Nach
acht Stunden, Tausenden von Schritten und noch mal tausend Gedanken war ich an
diesem stillen Ort angekommen. So viel Zeit hatte es gebraucht, um zu
begreifen, daß die abgrundtiefe Traurigkeit, die sich wie Blei auf mein Herz
gelegt hatte, nicht allein dem Umstand geschuldet war, daß Claude mich
verlassen hatte. Ich war zweiunddreißig Jahre alt, und es war nicht das erste
Mal, daß eine Liebe zerbrach. Ich war gegangen, ich war verlassen worden, ich
hatte weitaus nettere Männer gekannt als Claude, den Freak.
    Ich
glaube, es war dieses Gefühl, daß sich alles auflöste, veränderte, daß
Menschen, die meine Hand gehalten hatten, plötzlich für immer verschwanden, daß
mir die Bodenhaftung verlorenging und zwischen diesem riesigen Universum und
mir nichts mehr war als ein himmelblauer Regenschirm mit kleinen weißen
Punkten.
    Das
machte es nicht gerade besser. Ich stand allein auf einer Brücke, ein paar
Autos fuhren an mir vorbei, die Haare wehten mir ins Gesicht, und ich
umklammerte den Schirm mit dem Entenknauf, als könnte dieser auch noch davonfliegen.
    »Hilfe!«
flüsterte ich leise und taumelte ein wenig gegen die Steinmauer.
    »Mademoiselle?
Oh, mon Dieu, Mademoiselle, nicht! Warten Sie, arrêtez!« Ich
hörte eilige Schritte hinter mir und erschrak.
    Der
Schirm glitt mir aus der Hand, machte eine halbe Umdrehung, prallte von der
Brüstung ab und fiel dann in einem kleinen wirbelnden Tanz nach unten, bevor er
mit einem kaum hörbaren Platschen bäuchlings auf dem Wasser landete.
    Ich
drehte mich verwirrt uni und sah in die dunklen Augen eines jungen Polizisten,
der mich mit besorgtem Blick musterte. »Alles in Ordnung?« fragte er aufgeregt.
Offenbar hielt er mich für eine Selbstmörderin.
    Ich
nickte. »Ja, natürlich. Alles bestens.« Ich rang mir ein kleines Lächeln ab. Er
zog die Augenbrauen hoch, als glaube er mir kein Wort.
    »Ich
glaube Ihnen kein Wort, Mademoiselle«, sagte er. »Ich habe Sie schon eine ganze
Weile beobachtet, und so, wie Sie da standen, sieht keine Frau aus, bei der
alles bestens ist.«
    Ich
schwieg
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