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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen
Autoren: Nicolas Barreau
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unerschütterlich
in ihrer guten Laune, sehr patent. Mit bemerkenswerter Gelassenheit nimmt sie
die Dinge, die da kommen, und versucht das beste daraus zu machen. Sie ist
diejenige, die das, was ich manchmal für fürchterlich verworren halte, mit ein
paar Sätzen zurechtrückt und ganz einfach macht.
    »Du
liebe Güte, Aurélie«, sagt sie dann und schaut mich belustigt aus ihren
dunkelblauen Augen an. »Was du dir immer für Gedanken machst! Das ist
doch alles ganz einfach ...«
    Bernadette
wohnt auf der Île Saint-Louis und ist Lehrerin an der École Primaire, aber
sie könnte ohne weiteres auch Beraterin für kompliziert denkende Menschen sein.
    Wenn
ich in ihr klares, schönes Gesicht schaue, denke ich oft, daß sie eine der
wenigen Frauen ist, denen es wirklich gut steht, die Haare in einem schlichten
Chignon zu tragen. Und wenn sie ihre blonden, schulterlangen Haare offen trägt,
sehen ihr die Männer hinterher.
    Sie
hat ein lautes, ansteckendes Lachen. Und sie sagt immer, was sie denkt.
    Das
war auch der Grund, weshalb ich sie an diesem Montagmorgen nicht treffen
wollte. Bernadette konnte Claude von Anfang an nicht leiden.
    »Das
ist ein Freak«, hatte sie gesagt, nachdem ich ihr Claude bei einem Glas Wein
vorgestellt hatte. »Ich kenne solche Typen. Egozentrisch und guckt einem nicht
richtig in die Augen.«
    »Also
mir guckt er in die Augen«, erwiderte ich und lachte.
    »Mit
so einem wirst du nicht glücklich«, beharrte sie.
    Ich
fand das damals ein bißchen vorschnell, aber als ich jetzt das Kaffeepulver in
meine Glaskanne löffelte und das kochende Wasser darübergoß, mußte ich mir
eingestehen, daß Bernadette recht gehabt hatte.
    Ich
schickte ihr eine SMS und sagte unser gemeinsames Mittagessen mit kryptischen
Worten ab. Dann trank ich meinen Kaffee, zog Mantel, Schal und Handschuhe an
und trat hinaus in den kalten Pariser Morgen.
     
    Manchmal
geht man los, um irgendwo anzukommen. Und manchmal geht man einfach nur los, um
zu gehen und zu gehen und immer weiter zu gehen, bis die Nebel sich lichten,
die Verzweiflung sich legt oder man einen Gedanken zu Ende gedacht hat.
    Ich
hatte kein Ziel an diesem Morgen, mein Kopf war seltsam leer und mein Herz so
schwer, daß ich sein Gewicht spürte und unwillkürlich meine Hand gegen den
rauhen Mantel drückte. Es waren noch nicht viele Leute unterwegs, und die Absätze
meiner Stiefel klackten verloren auf dem alten Pflaster, als ich auf den
steinernen Torbogen zuging, der die Rue de L'Ancienne Comédie mit dem Boulevard
Saint-Germain verbindet. Ich war so froh, als ich vor vier Jahren meine Wohnung
in dieser Straße gefunden hatte. Ich mag dieses kleine, lebendige Viertel, das
sich jenseits des großen Boulevards mit seinen verwinkelten Straßen und Gassen,
Gemüse-, Austern- und Blumenständen, Cafés und Geschäften bis zum Seineufer
erstreckt. Ich wohne im dritten Stock, in einem alten Haus mit ausgetretenen
Steintreppen und ohne Aufzug, und wenn ich aus dem Fenster schaue, kann ich
hinübersehen zu dem berühmten Procope, jenem Restaurant, das schon seit
Jahrhunderten dort steht und das erste Kaffeehaus von Paris gewesen sein soll.
Dort hatten sich Literaten und Philosophen getroffen. Voltaire, Rousseau,
Balzac, Hugo und Anatole France. Große Namen, deren spirituelle Gesellschaft
die meisten Gäste, die dort unter riesigen Kronleuchtern auf roten Lederbänken
sitzen und essen, mit einem angenehmen Schauer erfüllen.
    »Hast
du ein Glück«, hatte Bernadette gesagt, als ich ihr mein neues Zuhause zeigte
und wir zur Feier des Tages abends im Procope einen wirklich köstlichen Coq
au vin aßen. »Wenn man bedenkt, wer hier alles schon gesessen hat - und du
wohnst nur ein paar Schritte entfernt ... toll!«
    Sie
schaute sich begeistert um, während ich ein Stück weingetränktes Huhn auf meine
Gabel aufspießte, es versonnen anstarrte und einen Moment überlegte, ob ich vielleicht
ein Kulturbanause war.
    Ehrlicherweise
muß ich gestehen, daß mich der Gedanke, daß man im Procope damals die
erste Eiscreme von Paris essen konnte, weitaus mehr entzückte als bärtige
Männer, die ihre klugen Gedanken zu Papier brachten, aber das hätte meine
Freundin vielleicht nicht verstanden.
    Bernadettes
Wohnung ist voller Bücher. Sie stehen in meterhohen Regalen, die sich über Türrahmen
hinwegziehen, sie liegen auf Eßtischen, Schreibtischen, Couchtischen und
Nachttischen, und selbst im Bad habe ich zu meinem Erstaunen auf einem kleinen
Tischchen neben der Toilette ein
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