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Das Lächeln der Frauen

Das Lächeln der Frauen

Titel: Das Lächeln der Frauen
Autoren: Nicolas Barreau
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betroffen und sah für einen Moment dem weißgetupften Regenschirm
hinterher, der gemächlich auf der Seine davonschaukelte. Der Polizist folgte
meinem Blick.
    »Es
ist immer dasselbe«, meinte er dann. »Ich kenne das schon mit diesen Brücken.
Erst neulich haben wir noch weiter unten ein Mädchen rausgefischt aus dem
eiskalten Wasser. Gerade noch rechtzeitig. Wenn jemand sich lange auf einer
Brücke rumtreibt, kann man sicher sein, daß er entweder heftig verliebt ist
oder kurz davor, ins Wasser zu springen.«
    Er
schüttelte den Kopf. »Ich hab nie kapiert, warum Verliebte und Selbstmörder
immer diese Affinität zu den Brücken haben.«
    Er
beendete seinen Exkurs und schaute mich mißtrauisch an.
    »Sie
sehen ziemlich durcheinander aus, Mademoiselle. Sie wollten doch wohl keine
Dummheiten machen, was? So eine schöne Frau wie Sie. Auf der Brücke.«
    »Aber
nein!« versicherte ich. » Außerdem stehen auch ganz normale Menschen manchmal
länger auf Brücken, einfach weil es schön ist, über den Fluß zu schauen.«
    »Sie
haben aber ganz traurige Augen.« Er ließ nicht locker. »Und es sah eben ganz so
aus, als wollten Sie sich fallen lassen.«
    »So
ein Unsinn!« entgegnete ich. »Mir war nur ein bißchen schwindlig«, beeilte ich
mich hinzuzufügen und legte unwillkürlich die Hand auf meinen Bauch.
    »Oh, pardon! Excusez-moi, Mademoiselle ... Madame!« In
einer verlegenen Geste breitete er seine Hände aus. »Ich konnte ja nicht ahnen
... vous êtes ... enceinte? Da sollten Sie aber etwas besser auf sich
achtgeben, wenn ich das mal so sagen darf. Darf ich Sie nach Hause begleiten?«
    Ich
schüttelte den Kopf und hätte fast gelacht. Nein, schwanger war ich nun
wirklich nicht.
    Er
legte den Kopf schief und lächelte galant. »Sind Sie sicher, Madame? Der Schutz
der französischen Polizei steht Ihnen zu. Nicht, daß Sie mir noch umkippen.« Er
blickte fürsorglich auf meinen flachen Bauch. »Wann ist es denn soweit?«
    »Hören
Sie, Monsieur«, entgegnete ich mit fester Stimme. »Ich bin nicht schwanger und
werde es mit ziemlicher Sicherheit in näherer Zukunft auch nicht sein. Mir war
einfach ein wenig schwindlig, das ist alles.«
    Und
das war auch kein Wunder, fand ich, immerhin hatte ich außer einem Kaffee den
ganzen Tag nichts zu mir genommen.
    »Oh!
Madame ... ich meine Mademoiselle!« Sichtlich verlegen trat er einen
Schritt zurück. »Entschuldigen Sie vielmals, ich wollte nicht indiskret sein.«
    »Ist
schon gut«, seufzte ich und wartete darauf, daß er ging.
    Doch
der Mann in der dunkelblauen Uniform blieb stehen. Er war der Prototyp eines
Pariser Polizisten, wie ich sie auf der Île de la Cite, wo der Sitz der
Polizeipräfektur ist, oft schon gesehen hatte: groß, schlank, gutaussehend,
immer zu einem kleinen Flirt bereit. Dieser hier hatte es sich offenbar zur
Aufgabe gemacht, mein persönlicher Schutzengel zu sein.
    »Also
dann ...« Ich lehnte mich mit dem Rücken gegen die Brüstung und versuchte ihn
mit einem Lächeln zu verabschieden. Ein älterer Mann im Regenmantel ging vorbei
und warf uns einen interessierten Blick zu.
    Der
Polizist legte zwei Finger an seine Kappe. »Tja, wenn ich nichts mehr für Sie
tun kann ...«
    »Nein,
wirklich nicht.«
    »Dann
passen Sie gut auf sich auf.«
    »Mach
ich.« Ich preßte die Lippen aufeinander und nickte ein paarmal mit dem Kopf.
Das war der zweite Mann in vierundzwanzig Stunden, der mir sagte, ich solle gut
auf mich aufpassen. Ich hob kurz die Hand, drehte mich dann wieder um und
stützte mich mit den Ellbogen auf die Brüstung. Aufmerksam studierte ich die
Kathedrale von Notre-Dame, die sich wie ein mittelalterliches Raumschiff aus
der Dunkelheit am Ende der Île de la Cité erhob.
    Hinter
mir ertönte ein Räuspern, und ich spannte den Rücken an, bevor ich mich langsam
wieder zur Straße drehte.
    »Ja?«
sagte ich.
    »Was
ist es denn nun?« fragte er und grinste wie George Clooney in der
Nespresso-Werbung. »Mademoiselle oder Madame?«
    Oh.
Mein. Gott. Ich wollte in Ruhe unglücklich sein, und ein Polizist flirtete mit
mir.
    »Mademoiselle,
was sonst«, gab ich zurück und beschloß, die Flucht zu ergreifen. Die Glocken
von Notre-Dame tönten zu mir herüber, und ich ging schnellen Schrittes die
Brücke entlang und betrat die Île Saint-Louis.
    Manche
sagen, dieses kleine Inselehen in der Seine, das direkt hinter der viel
größeren Île de la Cité liegt und das man nur über Brücken erreichen kann, sei
das Herz von Paris. Aber dieses alte Herz
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