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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus
Autoren: Agatha Christie
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alles. Ich habe meine Pflicht getan, und damit ist der Fall für mich erledigt. So, nun wissen Sie Bescheid.«
    Aber ich wusste nicht Bescheid. Ich merkte, dass Taverner aus irgendeinem Grund unzufrieden war.
    Erst drei Tage später schüttete ich meinem Vater zuhause mein Herz aus. Er selbst hatte den Fall mir gegenüber nie mehr erwähnt. Diese unsichtbare Schranke zwischen uns musste ich durchbrechen.
    »Wir müssen uns einmal aussprechen«, sagte ich. »Taverner ist mit der Lösung des Falles unzufrieden, und du bist es auch.«
    Mein Vater schüttelte den Kopf. Wie Taverner antwortete er: »Die Indizien genügen zweifellos für einen Prozess. Wir haben mit dem Fall nichts mehr zu schaffen.«
    »Aber ihr glaubt doch nicht, dass die beiden schuldig sind?«
    »Das müssen die Geschworenen entscheiden.«
    »Was glaubt ihr denn persönlich?«
    »Meine persönliche Meinung gilt nicht mehr als deine, Charles.«
    »Doch. Du hast mehr Erfahrung.«
    »Dann will ich ehrlich sein. Ich weiß einfach nicht, ob sie es getan haben.«
    »Ich wünschte, du wärest sicher.«
    »Ja, das wünschte ich auch. Du hast immer noch die Sorge, dass einer von den Leonides der wahre Täter sein könnte, nicht wahr?«
    »Nicht eigentlich. Ich frage mich nur…« Ich bemühte mich, mir selbst über dieses Problem klar zu werden. »Weißt du, es kommt mir so vor, als ob sie es selbst denken.«
    »Sie denken es selbst? Das ist interessant. Meinst du, sie verdächtigen sich gegenseitig, oder wissen sie tatsächlich, wer es getan hat?«
    »Ich bin mir nicht sicher«, antwortete ich. »Es ist alles so nebulös und verworren. Ich glaube, sie verdrängen ihr Wissen – falls sie etwas wissen.«
    Mein Vater nickte.
    »Roger nicht«, fuhr ich fort. »Roger ist überzeugt, dass Brenda den Mord begangen hat. Aber die andern sind unsicher. Sie bestehen darauf, dass Brenda den besten Verteidiger erhält, damit sie jede Chance nutzen kann, ihre Unschuld zu beweisen. Warum?«
    »Weil sie sie im Grunde für unschuldig halten. Wer könnte es sonst getan haben? Du hast doch mit allen gesprochen, Charles.«
    »Ich weiß es nicht. Das Grübeln bringt mich beinahe um den Verstand. Keiner von der Familie entspricht meinem Bild eines Mörders, und doch habe ich das Gefühl, dass einer von ihnen tatsächlich ein Mörder ist.«
    »Sophia?«
    »Nein. Großer Gott, nein!«
    »Du denkst aber an die Möglichkeit, Charles, leugne es nicht. Gerade weil du sie nicht wahrhaben möchtest. Und die andern? Philip?«
    »Nur aus einem ganz und gar fantastischen Motiv.«
    »Motive können fantastisch sein«, erwiderte mein Vater. »Was wäre sein Motiv?«
    »Er ist sehr eifersüchtig auf Roger, ist es sein Leben lang gewesen. Vielleicht wusste Philip, dass sein Vater Roger wieder auf die Beine helfen wollte. Der Tod des alten Mannes verhinderte dieses Vorhaben. Ach, ich weiß, das ist absurd…«
    »Nicht unbedingt. Weiter. Magda?«
    »Magda ist ziemlich kindisch. Sie sieht alles verzerrt. Ich wäre niemals auf den Gedanken gekommen, sie zu verdächtigen, wenn sie nicht plötzlich den Wunsch geäußert hätte, Josephine in die Schweiz zu schicken. Da kam mir die Idee, dass sie vielleicht befürchtete, Josephine wüsste etwas und könnte es verraten…«
    »Und dann wurde an Josephine ein Mordversuch verübt.«
    »Das kann ihre Mutter nicht getan haben!«
    »Warum nicht?«
    »Ich bitte dich, eine Mutter würde doch niemals…«
    »Charles, Charles, liest du denn keine Prozessberichte? Immer wieder kommt es vor, dass eine Mutter eines ihrer Kinder nicht mag. Die andern kann sie deshalb abgöttisch lieben. Wenn eine solche Abneigung besteht, dann ist sie sehr stark.«
    »Sie nannte Josephine immer einen Wechselbalg«, gab ich widerwillig zu.
    »Nahm das Kind das übel?«
    »Ich glaube wohl.«
    »Roger können wir wohl auslassen«, sagte mein Vater. »Und seine Frau?«
    »Wenn Clemency den alten Leonides umgebracht hat, dann aus einem sehr seltsamen Grund.« Ich erzählte meinem Vater von meinen Gesprächen mit Clemency. Ich sagte, dass ihr leidenschaftlicher Wunsch, Roger aus England fortzubekommen, sie dazu geführt haben könnte, ihren Schwiegervater zu vergiften. »Sie hatte Roger überredet, mit ihr ins Ausland zu gehen, ohne ein Wort verlauten zu lassen. Der Alte kam dahinter und erbot sich, das Geschäft neu zu finanzieren. Damit waren Clemencys Hoffnungen und Pläne zerstört.«
    »Was für einen Eindruck hast du von Miss de Haviland?«
    »Auch sie könnte es getan haben. Ein
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