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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus
Autoren: Agatha Christie
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geschrieben. Sie hatten sich der Hoffnung hingegeben, dass Brendas alter Mann bald friedlich sterben könnte… aber ich fragte mich, ob sie wirklich seinen Tod gewünscht hatten. Ich hatte das Gefühl, dass Verzweiflung und Sehnsucht einer unglücklichen Liebesaffäre viel besser zu ihnen passten als ein gewöhnliches Eheleben. Brenda war zu anämisch, zu apathisch. Es verlangte sie nach Romantik. Und Laurence war auch ein Typ, der unbestimmte Zukunftsträume mehr genoss als die konkrete Befriedigung der Fleischeslust.
    Sie hatten sich in einer Falle gefangen, und vor lauter Angst hatten sie nicht genügend Verstand gehabt, einen Ausweg zu finden. Laurence hatte in seiner unglaublichen Weltfremdheit nicht einmal Brendas Briefe vernichtet. Und Laurence hatte den marmornen Türhalter nicht auf die Tür des Waschhauses gelegt. Das hatte jemand getan, dessen Gesicht immer noch hinter einer Maske verborgen war.
    Wir fuhren vor dem Haus vor. Taverner stieg aus, und ich folgte ihm. In der Halle befand sich ein Polizist in Zivil, den ich nicht kannte. Er begrüßte Taverner, und der Chefinspektor zog ihn beiseite.
    Aufgestapelte Gepäckstücke in der Halle erregten meine Aufmerksamkeit. Als ich die Koffer betrachtete, kam Clemency die Treppe herunter und durch die offene Tür in die Halle. Sie trug wieder das dunkelblaue Wollkleid sowie einen Tweedmantel und einen blauen Filzhut.
    »Sie kommen gerade zur Zeit, um uns Lebewohl zu sagen.«
    »Sie reisen?«
    »Wir fahren heute Abend nach London. Unser Flugzeug geht morgen Früh.«
    Sie war ruhig und lächelte; aber ihre Augen blickten aufmerksam.
    »Aber Sie können doch jetzt nicht fort?«
    »Warum denn nicht?«
    »Dieser Todesfall…«
    »Wir haben nichts mit Nannies Tod zu tun.«
    »Vielleicht nicht. Trotzdem…«
    »Weshalb sagen Sie ›vielleicht nicht‹? Wir haben wirklich nichts damit zu tun. Roger und ich waren oben und packten fertig. Während der ganzen Zeit, da der Kakao in der Halle auf dem Tisch stand, kamen wir nicht herunter.«
    »Können Sie das beweisen?«
    »Ich kann für Roger zeugen, und er kann für mich zeugen.«
    »Das ist alles? Sie sind ein Ehepaar, vergessen Sie das nicht.«
    Ihr Ärger machte sich Luft.
    »Sie sind unmöglich! Roger und ich gehen fort, um unser eigenes Leben zu fuhren. Warum sollten wir da eine nette, dumme, alte Frau vergiften, die uns nie etwas zu Leide getan hat?«
    »Sie hätten ja einen andern Menschen meinen können.«
    »Ein Kind würden wir noch weniger vergiften.«
    »Das hängt wohl von dem Kind ab, nicht wahr?«
    »Was soll das heißen?«
    »Josephine ist kein gewöhnliches Kind. Sie weiß sehr viel. Sie…«
    Ich brach ab. Josephine war aus dem Salon aufgetaucht. Sie aß den unvermeidlichen Apfel, und über seiner rosigen Rundung funkelten ihre Augen in geradezu dämonischem Vergnügen.
    »Nannie ist vergiftet worden«, sagte sie. »Genau wie Großvater. Schrecklich aufregend, nicht?«
    »Bist du denn gar nicht traurig darüber?«, fragte ich. »Du hattest sie doch sehr gern?«
    »Nicht besonders. Sie schalt mich immer und ließ mir keine Ruhe.«
    »Hast du überhaupt jemanden gern, Josephine?«, fragte Clemency.
    Josephine richtete die dämonischen Augen auf Clemency.
    »Ich liebe Tante Edith«, sagte sie. »Tante Edith liebe ich sehr. Und ich könnte Eustace lieben, wenn er nicht so gemein zu mir wäre und sich mehr dafür interessieren würde, wer all die Verbrechen begangen hat.«
    »Du solltest damit Schluss machen und nicht mehr Detektiv spielen, Josephine«, sagte ich. »Das ist gefährlich.«
    »Ich brauche nicht mehr Detektiv zu spielen«, entgegnete sie. »Ich weiß alles.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Josephines ernste Augen hafteten fest auf Clemency. Ein Geräusch gleich einem tiefen Seufzer drang an mein Ohr. Ich fuhr herum. Edith de Haviland stand auf der Treppe; aber ich glaubte nicht, dass sie geseufzt hatte. Das Geräusch war hinter der Tür hervorgekommen, durch die Josephine soeben eingetreten war.
    Ich ging rasch dorthin und stieß sie ganz auf. Es war niemand zu sehen.
    Trotzdem war ich ernsthaft besorgt. Jemand hatte hinter dieser Tür gestanden und Josephines Worte gehört. Ich kehrte zurück und nahm Josephine, die an ihrem Apfel kaute und immer noch Clemency anstarrte, am Arm. Hinter ihrem Ernst lag, wie mir schien, eine gewisse bösartige Befriedigung.
    »Komm mal mit, Josephine«, sagte ich, »ich möchte mit dir reden.«
    Josephine wollte sich offenbar wehren, aber ich duldete keinen
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