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Das krumme Haus

Das krumme Haus

Titel: Das krumme Haus
Autoren: Agatha Christie
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ihr über die Wangen. Widerstandslos ließ sie sich von Taverner zum Auto führen. Ich sah Laurence Brown und Sergeant Lamb aus dem Hause kommen. Sie stiegen alle in den Wagen, der sofort abfuhr.
    Ich holte tief Atem und schaute Sophia an, die ganz blass geworden war.
    »Schrecklich«, hauchte sie. »Du musst ihr einen guten Anwalt besorgen, Charles, den besten Verteidiger, den es gibt. Wir müssen ihr helfen, so gut es geht.«
    Ich nickte, und wir schwiegen beide. Ich dachte daran, dass Brenda soeben den gleichen entsetzten Ausdruck gehabt hatte wie Magda an dem Tag, an dem ich sie kennen gelernt hatte. Damals war es Theater gewesen, hatte es sich um die Rolle der Edith Thompson gehandelt; doch bei Brenda war das Entsetzen zutiefst echt gewesen. Brenda war keine Kämpfernatur, und ich fragte mich, ob sie überhaupt genügend Nerven hatte, um einen Mord zu begehen.
    Sophia fragte unvermittelt: »Warum hat man die Verhaftung gerade jetzt vorgenommen? Ich dachte, es fehlte an Beweisen.«
    »Es hat sich ein gewisser Beweis ergeben. Briefe.«
    »Liebesbriefe zwischen den beiden?«
    »Ja. Mach kein so betrübtes Gesicht, mein Herz. Das haben wir doch die ganze Zeit gehofft, nicht wahr? Brenda ist die richtige Person, nicht?«
    »Sei still, Charles, ich schäme mich.«
    »Wir müssen vernünftig sein. Jetzt können wir heiraten, Sophia. Du kannst mich nicht mehr hinhalten. Die Familie Leonides ist reingewaschen.«
    Sie schaute mich an.
    »Ja, ich glaube wahrhaftig, wir sind reingewaschen.«
    »Natürlich. Niemand von euch hatte ja ein Motiv.«
    Sie wurde plötzlich weiß.
    »Außer mir, Charles. Ich hatte ein Motiv.«
    »Wieso?«, fragte ich bestürzt. »Du wusstest ja nichts von dem Testament.«
    »Doch«, flüsterte sie.
    »Wie?«
    Mich fröstelte auf einmal.
    »Ich wusste die ganze Zeit, dass Großvater alles mir vermacht hatte.«
    »Woher denn?«
    »Er sagte es mir selbst. Zwei Wochen vor seinem Tod sagte er ganz unvermittelt zu mir: ›Ich habe dir mein ganzes Vermögen vermacht. Du musst für die Familie sorgen, Sophia, wenn ich tot bin.«‹
    »Das hast du mir verschwiegen.«
    »Ich war unsicher. Als alle von der Testamentsunterzeichnung erzählten, dachte ich, er hätte sich vielleicht geirrt und sich nur eingebildet, ich wäre die Alleinerbin. Oder das andere Testament sei verloren gegangen und würde nie mehr auftauchen. Ich wollte nicht, dass es gefunden würde. Ich hatte Angst.«
    »Angst? Wovor?«
    »Ich glaube… vor einem Mord.«
    Wieder dachte ich an den Ausdruck des Entsetzens auf Brendas Gesicht und an das Entsetzen, in das Magda sich hineingesteigert hatte, als sie sich vorstellte, die Rolle einer Mörderin zu spielen. Eine solche Panik hatte keinen Platz in Sophias Seele, sondern sie erkannte durchaus realistisch, dass das Testament ihres Großvaters sie verdächtig machen konnte. Ich glaubte jetzt besser zu verstehen, warum sie erst die Wahrheit wissen wollte, ehe sie sich mit unserer Heirat einverstanden erklärte.
    Als wir zum Haus zurückgingen, fiel mir an einer bestimmten Stelle ein, dass sie gesagt hatte, sie könne wohl einen Mord begehen, aber dann müsse sich’s auch wirklich lohnen.

22
     
    A n einer Biegung des Weges trafen wir Clemency und Roger. Clemency blickte düster, Roger aufgeregt drein.
    »Da seid ihr ja«, sagte Roger. »Endlich! Ich dachte schon, das Weib würde niemals verhaftet werden. Worauf man noch gewartet hat, ist mir schleierhaft. Nun, jetzt hat man sie ja mitsamt ihrem elenden Freund geholt, und hoffentlich werden beide gehängt werden.«
    Clemencys Miene wurde noch düsterer.
    »Sei nicht so roh, Roger.«
    »Roh? Unsinn! Vorsätzlich und kaltblütig einen alten Mann zu vergiften, und da schiltst du mich roh, wenn die Mörder ihre gerechte Strafe bekommen! Ich sage dir, ich könnte das Weib mit eigenen Händen erwürgen!« Er wandte sich an uns: »Ihr wart mit ihr zusammen, als die Polizei sie holte, nicht wahr? Wie benahm sie sich?«
    »Es war schrecklich«, antwortete Sophia leise. »Sie verlor beinahe den Verstand vor Angst.«
    »Geschieht ihr ganz recht.«
    »Sei doch nicht so rachsüchtig«, tadelte Clemency.
    »Ach, du verstehst das nicht. Es war nicht dein Vater. Ich liebte meinen Vater. Du hast keine Fantasie, Clemency. Stell dir einmal vor, man hätte mich vergiftet…«
    Ich sah, wie sie die Hände ballte.
    »So etwas darfst du nicht einmal im Spaß sagen, Roger.«
    »Lass nur, mein Herz, bald haben wir all das hinter uns.«
    Wir gingen auf das Haus zu. Roger
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