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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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deutlich geteilt; sie ließ eine Gasse offen, in der Gie, Renal, Bodwin und ich standen, jeweils einige Schritte vor unseren Anhängern. Ursprünglich hatte König Gie vor allen Versammelten eine Rede halten sollen; statt dessen wandte er sich jetzt direkt an Bodwin.
    »Mein Lo… Kapitän Bodwin. Die Kluft zwischen uns schmerzt uns alle. Wollen wir uns nicht wieder aussöhnen? Kommen Sie wieder in den Rat und helfen Sie uns, die Flotte gegen den Feind zu führen.«
    »Eure Majestät«, sagte Bodwin tönend und überzeugte sich, daß er überall im Saal zu hören war. »Ich erbäte von Euch nichts sehnlicher, als in mein früheres Lehnsverhältnis zurückkehren und meinen Sitz im Rat wieder einnehmen zu können. Dann könnte ich Euch auch bei den Verhandlungen mit den Throngi zur Seite stehen, die unseren ehrenvollen Rückzug von diesem Planeten bewirken würden.«
    »Rückzug?« fragte eine Stimme ungläubig aus der Menge gegenüber, während eine andere brüllte: »Sie wollen mit den Throngi verhandeln?«
    »Ja«, war die einfache Antwort, auf die die Neulin ge mit erregtem Getuschel reagierten, wobei mehrmals das Wort »Kompromiß« zu hören war.
    »Jeder Mensch muß im Leben Kompromisse schließen«, sagte Bodwin, und der Tonfall der Stimmen wurde noch ärgerlicher. Einen Augenblick wollte mir das Blut in den Adern gefrieren. Vor kaum drei Jahren war ein zurückkehrender Pilger auf König Gies Hei matplaneten von der Menge in Stücke gerissen worden, weil er angedeutet hatte, daß die Throngi vielleicht nicht völlig schlecht wären.
    »Wollen Sie damit sagen«, fragte Gie, »daß Sie die Erde verlassen und die Mutter verraten würden?«
    »Sehen Sie nicht selbst, daß die Erde tot ist?« erwiderte Bodwin scharf. »Niemand von uns glaubt, daß die Mutter mit der Erde identisch ist. Sie ist ein Teil von uns allen, die wir Ihre Kinder sind. Kehren wir zu den Fernen Sternen zurück und arbeiten wir zum Ruhme des Menschen – und nicht für einen nackten Felsen.«
    »Verräter« … »Blasphemie!« … »Throngi-Freund!« In den tierischen Schreien schwang ein aggressiver Unterton. Wahrscheinlich wäre es wohl zum Angriff gekommen, wenn Bodwin nicht auf dem Absatz kehrtgemacht und uns aus dem Saal geführt hätte. Als er die Tür erreichte, rief ihm der König nach: »Sie werden an Bord Ihrer Schiffe zurückkehren und die Flotte begleiten. Andernfalls haben Sie sich als Verräter zu verantworten!«
    Telfan, ehemals Lord von Ganymed und mein Herr und Meister, schob sich neben Bodwin, als wir die Vorsäle verließen, und flüsterte ihm zu: »Warum versuchen wir nicht die Schiffe zu erreichen? Vielleicht können wir uns mit den Throngi arrangieren und Centauri erreichen; der sirianische Herrscher wird uns Asyl gewähren.«
    »Nein«, sagte Bodwin bedauernd. »Ich hasse diese sinnlose Geste ebensosehr wie Sie, und wenn ich noch im Rat säße, würde ich mich davon distanzieren. Aber der König, den ich selbst mit gewählt habe, hat mir einen klaren Befehl gegeben; und es gibt keinen ehrenvollen Weg für mich, ihn nicht auszuführen, ohne als Verräter dazustehen. Ich kann Ihrem Gewissen kei ne Vorschriften machen, aber ich meine, wir müssen mitfliegen. Wenn wir das alles lebend überstehen, ist die Zeit gekommen, nach Centauri zu fliegen.«
    Hinter ihm gehend, dachte ich daran, daß ich auch einmal einen Ehren- und Pflichtkodex gehabt hatte, der aber nicht lange überleben konnte, wenn mir immer wieder Hoffnung gemacht und im letzten Augenblick entrissen wurde. Besonders in diesem Augenblick, da wir anscheinend bei einem Vorhaben sterben mußten, das alle, deren Meinung ich respektierte, für unmöglich hielten. Doch ich mußte mir auch eingestehen, daß ich wahrscheinlich nicht darauf eingegangen wäre, wenn ich jetzt eine Fluchtchance gesehen hätte. Die Vernunft übte eine große Macht auf mich aus, aber das Gefühl war doch stärker.

 
7
    Die letzte Flotte, die das Königreich Terra jemals zusammenstellen sollte, startete vom tibetanischen Plateau am Vorabend des großen Kirchenfestes – im hundertundsiebenten Jahr nach der Gründung. Es war der letzte Einsatz: Kein Mensch und kein Schiff blieb auf der Erde zurück.
    Der Start war eine prächtige Zeremonie mit wehenden Flaggen und Bannern, mit jubelnden Menschenmengen und zahlreichen Kapellen – aber da alles elektronisch simuliert werden mußte, fehlte es etwas an Atmosphäre. Die Mannschaften nahmen in Ehrenformation an ihren Schiffen Aufstellung, während
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