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Das Kriegsbuch

Das Kriegsbuch

Titel: Das Kriegsbuch
Autoren: James Sallis (Hrsg)
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die Gesichter da, die über den Rand des Tanks starrten, und diesmal hörte ich jemanden sagen: »Der Mann hier kommt durch. Ich glaube, wir können ihn jetzt verlegen.«
    Und Hände streckten sich zu mir herein. Aber als sie mir die Drähte von der Haut lösten, verlor ich wieder das Bewußtsein.
    Später erwachte ich in einem kleinen, verdunkelten Raum. Zum erstenmal war ich wieder Herr aller Sinne; ich wußte, wo ich mich befand und was ich durchgemacht hatte. Zuerst glaubte ich mich allein. Aber dann hörte ich ein leises Geräusch, wandte den Kopf und erblickte einen Mann, der sich eben erhob und zu mir ans Bett trat. Als ihm das Licht ins Gesicht fiel, erkannte ich ihn, und aus einem Reflex heraus versuchte ich mich in seiner Gegenwart aufzurichten.
    »Bitte bleiben Sie liegen«, sagte er. »Sie werden sich sonst etwas antun. Da der König mir alle Titel und Besitztümer genommen hat, habe ich auch nicht mehr das Recht, Ihre Ehrerbietung zu verlangen. Ich bin nicht mehr Lord Bodwin von Luna, sondern nur noch Bodwin Tomos, Raumschiffkapitän. Ein Rang, der mir übrigens auf Ihre Kosten zuteil wurde. Während Ihrer Krankheit wählte mich Ihre Mannschaft zum Kapitän, wobei Sie natürlich als Erster Offizier fungieren soll ten, falls Sie überlebten.«
    Obwohl ich meine Stimme lange nicht mehr benutzt hatte und mein Hals aufgerauht und trocken war, brachte ich irgendwie heraus, daß es mir eine Ehre sein würde. Dann begannen wir uns zu unterhalten.
    Während der nächsten Tage verließ Bodwin mein Zimmer kaum. Meinem Gefühl nach beruhte sein Interesse teilweise auf der Sympathie, die er für mich empfand, teilweise auf der Tatsache, daß er später eng mit mir zusammenarbeiten mußte. Der Hauptgrund war aber wahrscheinlich, daß er offen mit mir sprechen und dabei ein wenig seine aufgestauten Gefühle abreagieren konnte. Es war bekannt, daß die Brüder des Krankenhauses den Einbau königlicher Abhörgeräte in ihren Zellen niemals dulden würden, und so drängte sich auf den Hospitalkorridoren der entthronte Adel, der sich gefahrlos mit Leuten wie mir unterhalten woll te, die von der Seuche befallen waren – wenn auch, der Guten Mutter sei Dank, an einem Orte, an dem mit Ausnahme der allerschlimmsten Fälle jeder Heilung fand.
    In diesen wenigen Tagen lernte ich viel von Bod win. Ich erfuhr zum Beispiel, daß die Magnaten Gie ursprünglich aus dem Gefühl heraus zum König bestimmt hatten, daß ein schwacher König die Verwaltung des Reiches in ihren Händen belassen würde. Sie hatten einen Plan ersonnen, wonach die Schiffe der Erde zusammengezogen und als Evakuierungsflotte eingesetzt werden sollten. Man war der Meinung, daß nach dem fürchterlichen Wüten der Seuche zu wenige übrig waren, um eine Erde zu verteidigen, die den Einsatz ohnehin nicht mehr lohnte. Aber der Schattenkönig hatte plötzlich einen eigenen Willen gezeigt. Der mehr als törichte hilflose Mann stand zwischen den entgegengesetzten ehrgeizigen Wünschen seiner beiden Frauen und war begierig, der Epoche den Stempel seiner Herrschaft aufzudrücken. Er hatte aus diesem Grunde einen Plan entworfen, wonach die Flotte nicht unter weißer Flagge starten, sondern nach dem Start direkt auf die Sonne zuhalten sollte. Die Throngi sollten glauben, man flöge dem freiwilligen Massentod entgegen oder wäre in panischem Entsetzen auf der Flucht. Wenn die Flotte dann in der Strahlung der Sonne untergetaucht war, sollte sie kehrtmachen und die Throngi von hinten angreifen.
    Natürlich hatten die Magnaten unter der Führung Bodwins dagegen protestiert. Aber der König hielt sich für stark. Insbesondere die Palastwache war ihm fanatisch ergeben. (Oder seinen Frauen – den Gerüchten zufolge hatten beide eine Vorliebe für junge, hübsche Gardisten und waren recht freizügig mit ihrer Gunst.) Auch schien ein Drittel aller Männer den Weg des ruhmvollen Todes vorzuziehen. Bodwin von Luna, Telfon von Ganymed, Sebor Saturnini, Thack Pitor von Transmundu, die Priesterin Elfoten und die Lady Pantar von der Venus – all diesen Persönlichkeiten wurden Titel und Privilegien abgesprochen. Sie mußten sich zusammen mit ihren Untertanen um Posten in der Flotte bemühen. Meine Mannschaft hatte Bodwin zu ihrem Kapitän gewählt, obwohl er ausdrücklich gewünscht hatte, nur einfachen Dienst zu tun. Und wir alle freuten uns, ihn an Bord zu haben. Wir wußten, daß wir uns der Flotte anschließen mußten, aber wir wußten zugleich, daß es unter seinem Kommando
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