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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib
Autoren: Corina Bomann
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Mühe mit der Schrift, denn wie viele Gelehrte schrieb Böttger mal sorgsam, mal fahrig, je nach Gemütsverfassung. Die Passagen, die er in Angst oder wissenschaftlicher Erregung geschrieben hatte, waren nur schwer zu entziffern.
    Eine lange Nacht steht mir bevor, dachte August. Dennoch hatte er nicht vor, das Heft aus der Hand zu legen, bevor er nicht alle Seiten gelesen hatte. Vor seiner Tür wartete sein Kammerdiener, der ihn mit Wein und allem anderen, wonach es ihn verlangte, versorgen würde. Er war auch der einzige Zeuge seines Wachens. Aus Angst, jemand könnte die gewonnenen Erkenntnisse stehlen und zu seinen Gunsten nutzen, hatte er darauf bestanden, allein zu bleiben, egal, wie viele Stunden ihn die Lektüre auch kosten würde.
    Das Heft hatte vielversprechend begonnen. Böttger berichtete von seinen Forschungen, seiner Zuversicht. Mit jeder Seite, die er umschlug, war August mehr und mehr überzeugt davon, dass dieses Heft ihm den Weg zum Stein der Weisen aufzeigen würde.
    Doch dann kamen ihm Zweifel. Immer wieder schrieb Böttger über eine Frau, die er nur A. nannte, und die ihm offenbar lieb und teuer gewesen war. Wie seltsam, dachte August und kratzte sich den Kopf unter seiner Perücke. Böttger liebte eine Frau.
    In der Festung und den Labors, in die man ihn gesteckt hatte, war Böttger ihm zuweilen als geschlechtsloses Wesen erschienen, das nur für die Forschung lebte. Dass er auch geliebt hatte, erstaunte den Fürsten, der Vater so vieler Kinder war. Was für eine Weibsperson war imstande gewesen, sein Herz so fest und über so lange Zeit gefangen zu halten?
    Wäre Böttgers Niederschrift früher entdeckt worden, hätte er ihn fragen können, doch nun nahm der Goldmacher sein Geheimnis mit ins Grab. Die Beisetzung sollte morgen stattfinden.
    Aber eigentlich interessierte August das Liebesleben seines Goldmachers nicht, auf diesem Gebiet hatte er selbst genug Ärger. Die Cosel, seine langjährige Mätresse, war auf Stolpen festgesetzt, die Leidenschaft zur Bielinska flachte allmählich ab. Eine neue Mätresse war bislang nicht in Sicht, und er spürte auch, dass seine Leidenschaft für die Frauen allmählich nachließ.
    Sein Verlangen nach Gold war dagegen noch immer unerfüllt. Würde er eine Antwort darauf in diesem Heft finden?
    Natürlich hatte er allen Grund, zufrieden zu sein. Böttger hatte ihm einen der größten Schätze der Welt zu Füßen gelegt. Nach zahllosen Fehlschlägen und vielen Monaten vergeblicher Mühe hatte Böttger ein weiteres Forschungsziel ins Auge gefasst. August war überrascht gewesen, als er ihm vorschlug, Porzellan herzustellen.
    »Das Porzellan würde Euch mit Gold aufgewogen, wenn es mir gelingt«, hatte er ihm begeistert geschildert und dabei die Hand um eine einfache Porzellanscherbe geklammert, als sei sie ein unermesslich wertvoller Schatz.
    Der Kurfürst hatte ihm den Wunsch gewährt und ihm gleichzeitig qualifizierte Helfer zur Seite gestellt. Pabst von Ohain war darunter wie auch Gottfried Tschirnhaus.
    Den drei Männern gelang es schließlich, im Laboratorium in der Jungfernbastei zunächst rotes Steinzeug zu brennen. Von Ohain schlug vor, weiße Erde, das sogenannte Kaolin, unter die Mischung zu geben und daraus entstand ein Porzellan von solch guter Qualität, dass es durchaus mit dem chinesischen, dessen Rezeptur der dortige Kaiser wie ein Zerberus hütete, mithalten konnte.
    Natürlich hatte es auch bei der Verfeinerung des Verfahrens Rückschläge gegeben, doch schließlich gelang die Herstellung des »weißen Goldes« so gut, dass August beschloss, eine Porzellanmanufaktur zu gründen. Meißen erschien ihm dazu geeignet, und am 23. Januar 1710 nahm die Manufaktur ihre Arbeit auf.
    Mittlerweile war diese Manufaktur in der ganzen Welt bekannt und füllte dem Kurfürsten die Schatzkammern. Und das vermutlich weitaus besser als jeglicher Goldmacher es vermocht hätte.
    Diesen Reichtum hatte August allerdings auch bitter nötig, denn seine Krone war erneut durch den revoltierenden polnischen Adel bedroht. Außerdem schickte August sich an, seinen Sohn mit der Kaiserstochter Maria Josepha zu verheiraten. Die Feier würde ihn ein Vermögen kosten! Da wäre es doch mehr als beruhigend, über eine weitere Einnahmequelle zu verfügen.
    Da stand es wieder! Geliebte A., meine einzige Hoffnung bist du …
    August stieß ein unwilliges Murren aus und riss sich die Perücke vom Kopf. Das ehemals volle Haar, das nie von einer künstlichen Haarpracht bedeckt werden
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