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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib
Autoren: Corina Bomann
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Ehren halten«, sagte er und legte seine freie Hand auf ihre. »Doch sei versichert, dass ich mich auch ohne sie an dich erinnern werde. Immer.«
    Ein Schluchzen stieg in Annalena auf, das sie jetzt nicht mehr zurückhalten konnte. Sie warf sich ihm in die Arme und weinte, bis ein Klopfen an der Tür ihr unmissverständlich klarmachte, dass ihre Zeit abgelaufen war.
    »Ich muss gehen«, sagte sie und wollte sich von ihm lösen, doch er ließ es nicht zu.
    »Wenn ich freikommen sollte«, flüsterte er. »Wo kann ich dich dann finden?«
    Annalena wusste, dass sie aus Dresden fortgehen würde. Sie würde es nicht ertragen können, ständig in seiner Nähe zu sein, aber gleichzeitig unendlich weit entfernt.
    Das Maunzen einer Katze kam ihr plötzlich in den Sinn. Die Zweige eines Apfelbaums. Zwei Menschen in inniger Umarmung bis in den Tod.
    Ach könnten wir beide nur wie sie sein, dachte sie. Auf immer vereint an diesem versteckten Ort, wo es nur sie gab.
    »Wenn du freikommst …« Annalenas Stimme brach, und sie musste noch einmal anfangen. »Wenn du freikommst, geh nach Oranienburg und von dort weiter nach Westen. Es gibt dort ein großes Waldgebiet und versteckt darin ein Gehöft, das scheinbar verlassen ist. Dort werde ich auf dich warten. Wenn wir wieder zusammen sind, können wir ein Leben beginnen, in dem es kein Gold gibt. Und keinen König, der dich in seine Dienste presst.«
    Sie sahen sich noch einen Moment lang an, dann löste sich Annalena endgültig von ihm und hatte dabei das Gefühl, als würde man ihr einen Teil ihres Herzens entreißen.
    »Warte!«, sagte Johann da und ließ eine Hand in seiner Tasche verschwinden. Als er sie wieder hervorzog, lagen die letzten von Röbers Dukaten darin.
    »Nimm diese für den Weg. Ich will, dass du sicher ankommst.«
    »Aber ich kann doch nicht …«, entgegnete sie, denn sie wusste was diese Dukaten für Johann bedeuteten. Doch er legte sie ihr in die Hand und schloss ihre Finger darüber.
    »Nimm sie. Entweder werde ich die beste Komödie spielen, die je aufgeführt wurde, oder wirklich Gold herstellen. Mach dir keine Sorgen um mich.«
    Damit küssten sie sich ein letztes Mal, und Annalena ging, ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen, zur Tür.
    Draußen wartete Pabst. Annalena wischte sich hastig die Tränen von den Wangen und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie am liebsten vor Johanns Tür zusammengebrochen wäre. Sie nickte Pabst dankend zu, dann verließ sie zum letzten Mal das Schloss.
    Draußen im Hof war es klirrend kalt, obwohl der Morgen bereits heraufdämmerte. Mit festem Schritt strebte Annalena dem Schlosstor zu und passierte es dank dem Schreiben, das sie von Fürstenberg erhalten hatte, ohne Probleme.
    Sie machte sich auf den Weg zu Tilman Heinrich, um ihr Pferd zu holen. Irgendwann hörte sie über sich ein paar Krähen krächzen. Sie blieb stehen, blickte zum Himmel auf und versuchte, sie im Zwielicht auszumachen.
    Guten Morgen, meine Schwestern, dachte sie dabei. Ich bin jetzt eine von euch.
    Denn Krähen leben dann am besten, wenn sie frei sind.
    Nichts anderes will ich sein.

Epilog
    1719
    E in Heft aus Pergament, doch wer kannte die Geschichte dahinter? Wer erinnerte sich angesichts der Worte an die Gesichter der Menschen, von denen sie erzählten? An die Hand, die die Tinte wohlgeformt zu Papier gebracht hatte?
    Ein Heft war alles, was August dem Starken von seinem Goldmacher geblieben war. Viele engbeschriebene Seiten, in denen er das Geheimnis des Goldmachens vermutete.
    An jenem Frühlingsabend im Jahre 1719 saß der sächsische Kurfürst am Kamin seines Jagdzimmers in Moritzburg und blätterte mit klammen Fingern in dem Heftchen, das einen sonderbaren Geruch verströmte.
    Der Geruch des Teufels, schlich es ihm durch den Sinn.
    Böttger hatte es am Leib getragen, wo es sich mit seinem Schweiß und den Dämpfen seiner Arbeit vollgesogen hatte. Erst, als man ihm das Leichenhemd überziehen wollte, fand man es, und nur der Geldgier eines Dieners hatte er es zu verdanken, dass es überhaupt in seine Hände gelangt war.
    Wenn der Diener gewusst hätte, was er da gefunden hatte, hätte er sich gewiss damit aus dem Staub gemacht und das Heft an die Österreicher oder Preußen verscherbelt, dachte August lächelnd. Denn was sollte es anderes verbergen als die Geheimnisse von Böttgers Künsten? Es musste von großer Bedeutung für ihn gewesen sein, wenn er es so dicht an seiner Haut getragen hatte.
    Zuweilen hatte August ein wenig
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