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Das Krähenweib

Das Krähenweib

Titel: Das Krähenweib
Autoren: Corina Bomann
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zugleich.
    Johann war voller Fragen, aber das Gefühl, sie in seinen Armen zu halten, sie zu küssen, ließ jedes Wort unwichtig erscheinen. Erst nach einer Weile ließen sie voneinander ab und sahen sich an.
    »Wie bist du hierher gelangt?«, flüsterte Johann, doch Annalena schüttelte den Kopf. Die Geschichte mit den preußischen Spionen würde ihm vielleicht eines Tages zu Ohren kommen und dann konnte er sich das seine denken.
    »Fürstenberg hat es mir erlaubt. Aber frage jetzt nicht weiter. Wir haben nicht viel Zeit.«
    Sie wollte eine letzte Erinnerung an Johann haben, eine Erinnerung, die nicht von unerfüllten Wünschen und Abschiedsschmerz geprägt wäre. Also knöpfte sie die Jacke der Livree auf und zog das Hemd über der Brust auseinander. Johann betrachtete sie, als hielte er das alles für einen Traum.
    »Bitte liebe mich«, flüsterte sie fiebrig, während sie die Arme um seinen Nacken schlang. »Ich habe dich so lange entbehren müssen und will dich endlich wieder spüren.«
    Der Duft ihres Körpers und das Gefühl ihrer weichen Haut entfachten sein Begehren, und es war wieder wie damals, als sie im Schatten der Zorn’schen Apotheke gestanden hatten und zum ersten Mal ihre Körper miteinander geteilt hatten. Sie vergaßen sich in ihrer Lust und für ein paar kurze Momente gab es nur sie beide auf der Welt. Sie liebten sich leidenschaftlich auf dem Boden seiner Zelle und hielten sich danach eng umschlungen in den Armen.
    »Es ist das letzte Mal, dass wir uns sehen, nicht wahr?«, wisperte er schließlich.
    Annalena schloss die Augen. Hatte sie wirklich geglaubt, ihr Abschied könnte schmerzlos sein? Dies war vielleicht der größte Schmerz, den sie je erlitten hatte. Mertens’ Peitsche hatte sie zwar körperlich verletzt, aber Johann hier zurücklassen zu müssen, erfüllte ihre Seele mit weitaus größerer Pein.
    »Ich will nicht, dass du gehst«, raunte Johann ihr ins Ohr. »Ich könnte vom Kurfürsten fordern, dass sie dich bei mir lassen.«
    Annalena hätte nichts lieber getan, als zu bleiben, aber sie wusste, dass es nicht möglich war. »Der Kurfürst wird es nicht erlauben. Er wird glauben, dass ich dich ablenke. Er würde dich wieder von hier fortschaffen, nur damit du deinen Geist auf das Gold lenkst, das du für ihn erschaffen sollst.«
    Johann konnte darauf nichts erwidern, denn er wusste, dass sie recht hatte.
    »Was soll nun aus uns werden?«, flüsterte er, als sei ihre Zukunft etwas unendlich Fragiles, das durch unvorsichtige Worte zerstört werden könnte. Doch gibt es überhaupt eine Zukunft für uns?, fragte sein verräterischer Verstand.
    »Das wird sich zeigen«, entgegnete sie und versuchte, die Tränen zurückzudrängen, die in ihr aufstiegen. »Es wird davon abhängen, ob du Gold machst oder nicht.«
    »Was das Gold angeht …«
    Doch Annalena legte ihre Finger auf seinen Mund. Sie ahnte, was er ihr beichten wollte. »Sag nichts. Ich will es nicht wissen.«
    »Aber du würdest doch nicht …«
    »Nein, aber die Wände haben Ohren.«
    Damit erhob sie sich und begann, ihre Kleider zu richten. Johann blieb liegen und betrachtete sie so intensiv, als wollte er jeden Zoll ihres Körpers und jede Bewegung in sich aufsaugen.
    »Ich denke, wir sollten Abschied nehmen«, sagte Annalena mit brüchiger Stimme. Allein schon der Gedanke, ihn zurücklassen zu müssen, ließ ihr Herz schmerzen und Verzweiflung in ihr aufsteigen. Aber sie musste stark sein. Stark sein für ihn. In ihren nächsten Worten lag nur noch ein leichtes Zittern. »Der Wächter duldet mich schon zu lange hier drin.«
    Johann bemerkte, dass sie wirkte, als würde die Kraft sie jeden Augenblick verlassen. »Sehen wir uns wieder?«, kam es kraftlos über seine Lippen.
    Annalena sah in seinen Augen, dass er die Antwort darauf bereits kannte. Während Tränen ihre Sicht verschleierten, zog sie die Porzellanscherbe aus der Tasche, die sie immer bei sich trug, um sich daran zu erinnern, dass sie vorsichtig sein musste. Als sie sie betrachtete, glaubte sie wieder die Ohrfeige zu spüren, die ihr der Küchenmeister versetzt hatte.
    Doch die Erinnerung verflog, als sie Johann die Scherbe reichte und seine Hand darum schloss. »Etwas anderes habe ich nicht, was ich dir geben kann. Doch jemand sagte einmal zu mir, dass Porzellan ebenso viel wert ist wie Gold. Und vielleicht erinnerst du dich an mich, wenn du sie betrachtest.« Als sie aufblickte, konnte sie sehen, dass Johann Tränen in den Augen hatte.
    »Ich werde sie in
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