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Das Kloster (German Edition)

Das Kloster (German Edition)

Titel: Das Kloster (German Edition)
Autoren: Walter Scott
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Verein mit dem vollkommenen Ebenmaß seiner Gestalt und der edlen Grazie seiner Haltung gaben dem jungen Glendinning ganz unbedingte Vorteile selbst vor dem Ritter Piercie Shafton, der von Figur kleiner war und dessen Gliederbau, wenn auch im einzelnen tadellos, doch im ganzen nicht das gleiche schöne Verhältnis aufwies. Anderseits hatte der Ritter durch seine chevalereske Haltung einen nicht unbedeutenden Vorteil vor dem jungen Schotten voraus, den er auch an Regelmäßigkeit der Züge und an Glanz der Haut übertraf. Die Züge des jungen Schotten waren mehr kräftig als schön gezeichnet, und die rot und weiße Färbung seiner Haut war durch den Einfluß von Luft und Himmel in völliges Nußbraun gewandelt, das nun Wangen, Nacken und Stirn gleichmäßig färbte, nur vielleicht auf letzterer noch um einige Grade tiefer glühte. Für den wirkungsvollsten Teil seines Antlitzes mußte man seine Augen halten, die groß waren und tiefnußbraune Färbung aufwiesen, aber in Augenblicken seelischer Erregtheit in einem so ungewöhnlichen Glanze funkelten, daß man tatsächlich den Eindruck gewann, als ob sie Licht ausstrahlten. Auch sein Haar wies dunkelbraune Färbung auf und war von Natur zu dichten Locken gekräuselt, die seine Gesichtszüge noch lebensvoller erscheinen ließen und einen weit kühnern und regern Geist verrieten, als sein sonstiges Wesen, das einen Eindruck von Blödigkeit und Unbeholfenheit machte, auf den ersten Blick erwarten ließ.
    Der Anzug, den der Jüngling trug, war auch nicht so beschaffen, daß er sein Wesen hätte anmutiger erscheinen lassen können. Die Jacke und Beinkleider, die er trug, waren von grobem Bauerntuch und ebenso auch seine Mütze. Um den Leib trug er einen Gurt, dessen Aufgabe war, das breite große Schlachtschwert zu tragen, von dem schon wiederholt die Rede gewesen ist, sowie etwa ein halbes Dutzend Pfeile und Bolzen und ein breites Messer mit Griff aus Hirschhorn, das für einen Dolch galt und an der rechten Seite steckte. Damit wir seinen Anzug vollständig schildern, sei noch der weiten Stiefel aus Hirschleder gedacht, die sich bis ans Knie heraufziehen oder bis auf die Waden niederfallen ließen, je nachdem es dem Träger paßte. Wer zu damaliger Zeit viel der Jagd oblag, dem waren solche Stiefel wegen der vielen Dickichte, durch die der Weg im Walde führte, unentbehrlich.
    Schwieriger fällt es, zu schildern, wie sich die Seele des jungen Glendinning Ausdruck durch die Augen schuf, als er sich so unvermuteterweise Personen gegenüber sah, die er von frühester Jugend mit Ehrfurcht zu behandeln gelehrt worden war. Aus seiner Haltung sprach ein gewisser Grad von Verlegenheit, doch lag in derselben weder ein knechtischer Sinn, noch eine auffällige Verwirrtheit. Sie war vielmehr nicht größer, als sie sich für einen Jüngling schickt, der mit Hochherzigkeit und Freimut einen kühnen Geist verbindet, aber nicht über das geringste Maß von Lebenserfahrung gebietet, und zum ersten Male sich in einer solchen Gesellschaft befindet und unter solchen für ihn doch recht ungünstigen Verhältnissen zum ersten Male selbständig denken und handeln soll. In seinem ganzen Benehmen kam nicht der geringste Grad von Voreiligkeit oder Schüchternheit zum Ausdruck.
    Er kniete nieder und küßte dem Abte die Hand, dann richtete er sich auf, trat ein paar Schritte zurück und verneigte sich respektvoll vor der versammelten Gesellschaft, ließ ein weiches Lächeln auf seine Lippen treten, als ihn ein ermutigender Blick aus den Augen des Unterpriors traf, und errötete, als er Mary Avenels besorgten Blicken begegnete, die der Prüfung, die ihr Pflegebruder bestehen sollte, mit einem gewissen Grade von Bangigkeit entgegensah. Er faßte sich aber bald, die Ergriffenheit infolge des Blickes aus diesem Mädchenauge schwand, und nun stand er gelassen und ruhig da und harrte der Anrede des Lord-Abts.
    Sichtlich machte er auf die geistlichen Herren einen günstigen Eindruck. Der Abt blickte um sich und tauschte mit seinem Berater, dem Pater Eustachius, einen befriedigenden Blick des Einverständnisses, wenngleich die Anstellung eines Forstadjunkten oder Bogenführers schwerlich zu jenen Dingen gehörte, bei denen er auf den Rat seines Unterpriors zurückgreifen mußte. Allein der günstige Eindruck, den die äußere Erscheinung des Jünglings machte, legte es ihm näher, sich zu dem Funde einer für solchen Posten so trefflich geeigneten Persönlichkeit zu gratulieren, als daß er sich zu andern
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