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Das Kloster (German Edition)

Das Kloster (German Edition)

Titel: Das Kloster (German Edition)
Autoren: Walter Scott
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wiederum, verwunderter und lauter als der andre: »Rock und Hosen nicht annehmen?«
    »Eine kleine Weile Geduld, Brüder!« nahm der Unterprior das Wort, »verwundern wir uns nicht eher, als bis wir Ursache zur Verwunderung haben. Die brave Frau kennt Anlagen und Neigungen ihres Sohnes am allerbesten. Ich meinesteils kann nur sagen, daß dieselben auf Wissenschaft und Gelehrsamkeit nicht gerichtet sind, und daß ich mich vergeblich bemüht habe, ihm davon was beizubringen. Nichtsdestoweniger ist er ein junger Mann von ungewöhnlichem Geist, jedoch eher denjenigen ähnlich, nach meiner geringen Einsicht, die der Herr erweckt in einem Volke, wenn er ihm die Gnade erweisen will, es durch Kraft des Armes und Mut des Herzens zu befreien. Solche Menschen finden wir in der Regel mit einem unbesiegbaren Charakter ausgestattet, der gern für Geistesverstocktheit und Gleichgültigkeit gegen Bekannte und Freunde angesehen wird, bis sich endlich für sie eine Gelegenheit findet, dem Willen der Vorsehung gemäß das treffliche Rüstzeug für große Dinge zu werden.«
    »Du sprichst das rechte Wort zur rechten Zeit, Bruder Eustachius,« äußerte der Abt, »und wir wollen uns den jungen Mann erst mal ansehen, bevor wir über die Art seiner Anstellung das letzte Wort sagen. Was meint Ihr, Sir Piercie ist es nicht Brauch bei Hofe, den Mann für das Amt, nicht aber das Amt für den Mann in Aussicht zu nehmen?«
    »Mit Verlaub, Euer Ehrwürden,« nahm der Ritter aus Northumberland das Wort, »in gewisser Hinsicht möchte ich dieser Rede Eurer Weisheit beipflichten. Immerhin würden wir, bei aller Hochachtung vor dem Unterprior, nach tapfern Volksführern doch wohl nicht in der Volkshefe suchen. Ich will ja gelten lassen, daß sich in dem jungen Menschen ein paar Funken kriegerischen Geistes finden mögen, aber nur selten fand ich bisher, daß sich Anmaßung und Hochmut zuletzt durch Tat und Handlung gleichen. Jedenfalls genügt das nicht, um einen jungen Menschen von solch niedriger, beschränkter Sphäre auszuzeichnen, denn so wenig wie der Glühwurm, der sich im Wiesengrase allerliebst ausnimmt, oben im Leuchtturm am Platze wäre, so wenig wird solcher Jüngling sich bewähren auf der Höhe der menschlichen Gesellschaft.«
    »Gut, gut!« sagte der Unterprior, »da kommt der junge Jägersmann, um für sich selbst einzutreten.«
    Durch das gegenüberliegende Fenster konnte er Halbert sehen, wie er gerade den kleinen Berg, auf dem der alte Turm stand, emporstieg.
    »Ruft ihn vor unser Angesicht,« sprach der Lord-Abt, und gehorsam eilten die beiden diensttuenden Leute hinaus. Zu gleicher Zeit verschwand auch Frau Glendinning aus der Stube, einmal in der Absicht, ihrem Sohne Gehorsam gegen den Willen des Abtes ans Herz zu legen, zum andern Mal weil es ihr nicht gefallen mochte, daß der Sohn in der gewöhnlichen Alltagstracht vor dem Abte erscheine.
    Aber Küchenmeister und Tafeldecker hatten bereits den Jüngling unter den Armen gefaßt und brachten ihn im Triumph in das Gemach hinein, so daß der Witwe nur noch übrig blieb, sich mit dem Ausrufe zu entschuldigen: »Des Herrn Wille geschehe! hätte doch mein Junge bloß seinen Sonntagsstaat an!«
    Aber so unbedeutend dieser Wunsch an sich war, so fand er doch vor dem Schicksal keine Gnade, denn Halbert Glendinning wurde in seiner Werkeltracht vor den Abt geleitet; immerhin kam in seiner Erscheinung ein gewisses Etwas zum Ausdruck, das von der Gesellschaft Achtung für sich forderte, in die er so ohne alle Umstände eingeführt wurde, trotzdem die meisten geneigt waren, ihn mit Hochmut, wenn nicht mit unbedingter Verachtung zu betrachten.

Zweites Kapitel.
    Bevor wir fortfahren, dieses Zusammentreffen des Abtes vom Sankt Marien-Kloster mit Halbert Glendinning in einer für den Lebenslauf des letztern so entscheidungsvollen Stunde zu schildern, müssen wir ein paar Worte über seine Gestalt und seine Aufführung einflechten.
    Halbert stand nun in seinem neunzehnten Lebensjahre. Er war behend und schlank, nicht stark, aber von jenem muskulösen Gliederbau, der bei voller Ausgewachsenheit und richtiger körperlichen Ausbildung große Stärke erwarten läßt. Er war streng ebenmäßig gebaut und besaß gleich vielen Männern, die sich solchen Vorzugs erfreuen, eine angeborne Grazie und Gewandtheit im Auftreten, die nicht zuließ, daß man seine Körpergröße, die volle sechs Fuß betrug, als das hervorragendste Moment seiner Erscheinung ins Auge faßte. Diese außerordentliche Größe im
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