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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Falls Sie nichts dagegen haben, Herr Vernau.«
    Er funkelte mich böse an, griff nach dem Arm der Frau und führte sie hinaus. Aaron war bereits die Treppen hochgesprungen und lief in den zweiten Stock. Also hatte er einen Termin bei der Freifrau und würde ihr vermutlich brühwarm von diesem merkwürdigen Besuch erzählen.
    »Was wollte die denn?« Walter zog den Staubmantel aus.
    Ich musterte unentschlossen den Zettel in meiner Hand, dann steckte ich ihn ein. »Keine Ahnung.«
    Von oben war ein Quietschen zu hören. Ein Schatten glitt hinter eine Tür, die sich leise schloss.
    »Ich sehe gleich nach ihr«, sagte Walter und verschwand in seinem Reich.
    Ich tastete nach dem Zettel. Die Russin war die Frau, die ich auf dem Friedhof gesehen hatte.
     
    Am Abend erzählte ich Sigrun von ihr. Wir standen nebeneinander vor dem Spiegel im Badezimmer und mussten uns beeilen, denn wir hatten Karten für die Oper und wollten Utz gegen sieben Uhr abholen.

    »Vielleicht spioniert sie für die Russenmafia, ob sich ein Einbruch lohnt. Und du hast sie hereingelassen?«
    »Nur ins Entree.«
    Sie drehte sich zu mir um. »Das reicht ja schon. Jeder, der den Kasten von vorne betritt, denkt doch gleich, wir sind die Rockefellers.«
    Ich grinste. »Stimmt das etwa nicht?«
    Sigrun bekam ihre winzig kleine Falte zwischen den Augenbrauen. »Das weißt du genau. Es ist mir ein Rätsel, warum wir noch nicht pleite sind. Aber offensichtlich hat Omi immer noch einen Trumpf in ihrer Aussteuertruhe. Ich sage dem Personenschutz Bescheid. Sie sollen die Augen offen halten.«
    Als Senatorin und Stellvertretende Bürgermeisterin stand Sigrun ein vom Land Berlin bezahlter Wagen mit Fahrer sowie eine Rundumbewachung zu.
    Sie putzte sich mit Leidenschaft die Zähne und sagte dabei: »Morgen kommen die Leute von der Berliner Tageszeitung. Bist du dabei?«
    »Wann?«
    »Zwischen drei und vier.«
    »Geht nicht.« Ich suchte meine Manschettenknöpfe. »Die Testamentseröffnung für die Lehnsfelds.«
    Sigrun spuckte ins Waschbecken. »Es wäre mir aber wichtig.«
    »Und deinem Vater ist es wichtig, dass ich dabei bin. Es ist ein umfangreicher Nachlass, und es gibt schon jetzt Probleme damit.«
    »Und das ist ein verdammt wichtiger Wahlkampf, und ich will das Innere.«
    Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und begutachtete ihr strahlend weißes Gebiss.
    »Inneres«, stöhnte ich und hielt ihr die manschettenknopflosen Ärmelenden entgegen. »Ich habe dir schon hundert Mal
gesagt, das Ressort bekommt keine Frau. Familie, Kultur, Justiz – kein Problem. Aber an das Innere lassen sie dich nicht ran.«
    Sigrun fädelte mir die Manschettenknöpfe ein. »Schon möglich. Wenn ich noch nicht mal von meinem eigenen Lebensgefährten unterstützt werde …«
    »Was soll ich denn auf diesen Fotos?«
    »Sie würden zeigen, dass ich in der Lage bin, eine politische Karriere und ein glückliches Privatleben unter einen Hut zu bekommen.«
    »Reicht es nicht, wenn wir das wissen?«, fragte ich sie leise.
    »In diesem Fall nein.«
    Ich versuchte es mit der Krawatte. »Fünf Minuten. Zwischendurch. Und nur, wenn es sich einrichten lässt.«
    Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln. »Mehr will ich doch gar nicht.«
    Ich hätte sie gerne geküsst, aber wir hatten nicht die Zeit. »Porsche, Jaguar, Mercedes?«
    Sie lächelte. »Mercedes. Heute Abend sind wir brav.«

3
    Immer noch tiefschwarz wie eine Pinguinfamilie und mit einem sehr ernsten Ausdruck im Gesicht traten erst Abraham, dann seine Frau Verena und zum Schluss Aaron in den Konferenzraum. Connie hatte Kaffee gekocht und die Schokoladenwaffeln angerichtet. Harry ordnete die Akten. Vielleicht hoffte er, doch noch bei dieser Sitzung dabei sein zu können. Selbst Meinerz streckte seinen hageren Kopf herein, um dem hohen Besuch seine Aufwartung zu machen. Es nutzte ihnen nichts. Wenig später erschien Utz und schickte beide mit einer Kopfbewegung hinaus.
    »Bitte, nehmt Platz«, sagte er.
    Die Lehnsfelds setzten sich. Ich wartete, bis Utz sich am Kopfende
des Tisches platziert hatte, und nahm mir dann den Stuhl zu seiner Linken.
    »Sind alle so weit?«
    Die Pinguine nickten. Dann verlas Utz eine hochkomplizierte Nachlassregelung, nach der Abraham mit der Villa in Dahlem und sämtlichem Mobiliar bedacht wurde, zudem mit den Früchten einer konservativen Anlagestrategie und dem Ferienhaus in den Schweizer Bergen.
    Verena ging leer aus. Abraham legte ihr die Hand auf den Arm, sie senkte den Blick und blieb eine Weile so
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