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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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an Olga konnte man ihm nicht nachweisen. Allerdings fand man seine Fingerabdrücke in dem Lkw. Er kam mit Raub und Mittäterschaft davon. Über Aaron schwieg er beharrlich, was das Strafmaß erhöhte. Da es ihm aber weder in der U-Haft noch im Gefängnis an irgendetwas fehlte, rechneten Marie-Luise und ich damit, dass es ihm auch nach seiner Entlassung gut ergehen würde. Nicht mehr bei den Zernikows, dafür bei den Lehnsfelds. Der Zug fuhr also immer noch auf den Schienen und verließ sie nicht.
    Zwei Monate nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus fand ich eine kleine Wohnung in Wilmersdorf. Marie-Luise rümpfte zwar die Nase, aber ich wollte nicht in den Osten. Ich arbeitete ja schon da, das war genug.

    Wir arbeiteten die Verkehrsdelikte ab und konzentrierten uns dann voll auf das Strafprozessrecht. Es hinderte Marie-Luise nicht daran, nach wie vor die Sensibilität notorischer Heroindealer und die tiefe Poesie im Handeln kleptomanischer Mädchenbanden zu suchen. Sie würde sie nie finden. Aber sie gab die Hoffnung nicht auf. Ich blieb Realist und achtete darauf, dass die Anwaltskosten bezahlt wurden. Notfalls nachts um drei vor einer Neuköllner Disco.
    Im Übrigen arbeiteten wir hart daran, nicht allzu dicke Freunde zu werden.
    Mit meiner Mutter und Hüthchen fuhr ich öfter nach Reinickendorf. Manchmal spielten wir auch Bridge miteinander. Ich blieb dann gerne noch etwas länger. Und wenn wir die zweite Flasche Eierlikör köpften, fingen sie an zu erzählen. Dann leuchteten ihre Augen, und sie kicherten wie junge Mädchen. Ich merkte, dass Zuhören das beste Aufputschmittel ist. Nicht bei einem selbst. Aber bei denen, die erzählen.

Danksagung
    Am 17. Dezember 1999 erschien im Berliner Tagesspiegel ein Artikel mit der Überschrift »Ein Zeichen setzen gegen den schäbigen Kleinmut«.
    Empört über das Verhalten mancher Großunternehmen mit braun befleckter Firmengeschichte zur Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, riefen Leser der Zeitung zu privater Hilfe für Zwangsarbeiter auf und schilderten ihre Erlebnisse mit polnischen und ukrainischen Kindermädchen in Familienhaushalten.
    Bis dahin hatte ich geglaubt, Zwangsarbeiter hätten ausschließlich in Fabriken, öffentlichen Institutionen oder der Landwirtschaft gearbeitet. Hier aber las ich von zumeist sehr jungen Frauen, die aus den überfallenen Gebieten nach Nazi-Deutschland verschleppt worden waren und deutsche Kinder liebevoll ge- und behütet hatten. Eine Leserin, eines dieser Kinder, schrieb, dass ihr polnisches Kindermädchen sich ihrer »auch dann liebevoll angenommen hatte, als sich die eigene Mutter vor einer Krankheit des Kindes ekelte«. Andere berichteten von diesen »Sklavinnen in deutschen Haushalten«, dass sie diejenigen gewesen waren, die »uns in den Schlaf gesungen, und gefüttert, gestreichelt, geliebt haben«.
    Ich wollte diese Frauen finden.
    Dass ich im Januar 2003 in Kiew mit fünf von ihnen reden konnte, verdanke ich Marina Schubert und dem Berliner Verein Kontakte e.V. Es ist die einzige mir bekannte Institution, die sich um das Schicksal dieser Frauen kümmert, von denen viele aufgrund
der oft verworrenen Rechtsverhältnisse bis heute auf eine Entschädigung warten.
    Marina Schubert ist eine Frau, die ich für ihren grenzenlosen Idealismus und ihre Stärke bewundere, mit der sie jeden einzelnen Fall zu ihrem ganz persönlichen Anliegen macht und immer wieder aufs Neue den Kampf gegen die Windmühlenflügel der Bürokratie aufnimmt.
    Mit tiefer Zuneigung und großem Respekt danke ich: Anastasia Sidorenko, 80,
    Valentina Sergejewna, 77,
    Maria Jimilianowa, 78,
    Hana Bondar, 76,
    Pelageia Iwanowna, 76.
    Ohne ihre Offenheit und den Mut, mit dem sie sich in langen Gesprächen an ihre Zeit in Deutschland und ihre höchst unterschiedlichen Erfahrungen erinnerten, wäre dieses Buch nicht entstanden.
    Erstaunlich oft wurde mir auf die Frage, was diesen Frauen über die Zeit in Nazi-Deutschland hinweghalf, der 90. Psalm genannt, den ich an einigen Stellen zitiert habe.
    Dank an Nadieshda von der Ukrainischen Nationalstiftung und unsere Fahrerin Nelli, die selbst die unwahrscheinlichsten Adressen an den seltsamsten Orten Kiews aufspürte.
    Es wäre wünschenswert, nicht zuletzt dank des hohen Lebensalters dieser Frauen, wenn sich Historiker dieses fast völlig vergessenen Kapitels deutscher Geschichte endlich annähmen.
     
    Ich danke Anke Veil, die – wie auch bei meinem ersten Buch – oft ziemlich lange auf die Fortsetzung
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