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Das Keltenkreuz

Das Keltenkreuz

Titel: Das Keltenkreuz
Autoren: Jason Dark
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Gesichter.
    Manchmal waren wir gezwungen, die Augen zu schließen, aber nicht die Ohren.
    Martins Stimme war zu hören. Was der Abt schrie, was er sagte, das verstanden wir nicht, aber Vivian war stehengeblieben. »Er ist da!« kreischte sie. »Meine Güte, er ist da!« Sie faßte mich an und schüttelte mich durch. »Hörst du ihn, John? Er ist da!«
    Ich nickte nur.
    Vivian Cameron wollte hinlaufen, sie hatte sich schon geduckt, aber ich hielt sie fest. »Nicht so eilig!«
    »Warum nicht?«
    »Es ist gefährlich, die Umgebung des Kreuzes zu…«
    Den Satz brauchte ich nicht zu vollenden, denn wir bekamen im nächsten Moment alles bewiesen.
    Blitze umzuckten das obere Drittel des Kreuzes. Aus dem Nichts waren sie erschienen, aber sie hatten schon ihren Sinn. Sie erhellten das Kreuz und seine Umgebung.
    Das Gesicht war da!
    Beide zeigten wir uns geschockt. Wir sahen diese böse Fratze, die einem Menschen ebenso gehören konnte wie einem Tier, aber wir sahen auch, daß sich in den Augen etwas abzeichnete. Für uns, wo wir nicht so nah am Kreuz standen, nur helle, weiße Flecken. Zumindest ich wußte, was sich dort abmalte.
    »Es sind die Kreuze, Vivian. Es sind die gekippten Kreuze. Das Zeichen des Lug.«
    »Dann hat er gewonnen?«
    Ich hob die Schultern.
    »Nein!« schrie Vivian plötzlich los. »Nein, verdammt noch mal! Er darf nicht gewinnen. Das Böse soll die Oberhand nicht behalten. Ich, ich will es nicht.«
    Danach fragte niemand. Ich sah, daß sie nachdachte. Sie wußte nicht, ob sie bei mir bleiben oder auf das Kreuz losrennen sollte, doch es kam anders.
    Das lag nicht an uns, sondern an dem Mann, den wir erst jetzt richtig wahrnahmen. Es war der Abt. Er hatte vor dem Kreuz gestanden und war erst jetzt, wo das fahle Licht der lautlosen, kreisförmigen Blitze aufzuckte, als dunkle Gestalt zu sehen.
    Uns drehte er den Rücken zu. Er hatte an einer bestimmten Stelle gewartet oder gelauert, doch diese Zeit war vorbei. Das Kreuz hatte sich auch ihm offenbart. Der Abt war am Ziel seiner Wünsche. Endlich konnte er hin. Und er lief los.
    Lief er wirklich von allein?
    Es sah nicht so aus, denn er kam mir vor wie jemand, der unter einem fremden Willen stand. Er ging und bewegte dabei die Beine in einer bestimmten Geschwindigkeit, die nie langsamer wurde. Er schritt immer weiter vor. Er lief sogar schnell, drehte uns den Rücken und hatte nur Augen für die Fratze im Kreuz.
    Dann sah es auf einmal so aus, als hätte er selbst den Boden unter den Füßen verloren. Er schwebte durch die Luft, lachte und wedelte mit den Armen.
    Das war der Moment, wo ich startete.
    »John, was willst du denn?«
    Ich gab Vivian keine Antwort. Ich wollte den Abt und letztendlich auch den Götzen…
    ***
    Bruder Martin schwebte oder lief schnell, aber ich war schneller und holte entsprechend auf. Ich wußte, daß ich ihn erreichen würde, bevor er das Kreuz anfaßte, vorausgesetzt, es änderte sich nichts mehr. Mein Kreuz hatte ich umgehängt, und ich schrie den Abt an. Er hörte mich.
    Plötzlich drehte er sich um. Ich sah, daß er tatsächlich ein Stück nach unten fiel. Mein Ruf hatte ihn auf den Boden zurückgeholt.
    Er drehte sich um, und wir starrten uns an. Mir blies der Wind ins Gesicht, dem Abt peitschte er in den Rücken. Er zerrte an seiner Kleidung, er drückte ihm die Kapuze hoch. Nur Nebensächlichkeiten, die ich registrierte.
    Viel wichtiger war sein Gesicht – und auch die Augen!
    Sie glotzten mich an, und in den Pupillen funkelten die kleinen Kreuze.
    Ja, sie sahen aus wie weiße Lichter, aber sie strahlten kein freundliches Licht ab, sondern eine Helligkeit, die in einer anderen, bösen und kalten Welt geboren war.
    Er hatte das Kreuz besiegt. Er hatte es kippen können, wie auch die Fratze weiter hinter ihm.
    »Zurück!« schrie ich und ging weiter.
    Der Abt war plötzlich wie von Sinnen. Einen derartigen Schrei hatte ich wirklich selten gehört. Das Gebrüll glich schon dem einer wütenden Tierhorde, und dann bewegte er seine rechte Hand. Er ließ sie in der Kitteltasche verschwinden. Mir fiel in diesem Augenblick ein, daß ich meine Beretta nicht mehr besaß, und ich bewegte die Hand ebenfalls auf meinen Rücken zu, wo das Beil steckte.
    Pistole gegen Beil.
    Eine klare Sache für die Schußwaffe. Aber man mußte auch mit ihr umgehen können.
    Die nächsten Sekunden kamen mir vor, als würden sie langsamer ablaufen. Während ich meinen rechten Arm hob, um das Beil werfen zu können, schwang der Arm des Abts herum, denn
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