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Das Keltenkreuz

Das Keltenkreuz

Titel: Das Keltenkreuz
Autoren: Jason Dark
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er wollte die Waffe auf mich richten.
    Ich warf das Beil. Es fegte aus meiner Hand und senkte sich im Flug.
    Der Abt schoß. Da wurde er getroffen.
    Mich hatte er verfehlt. Es war nicht einfach, so zu feuern, wie man es immer im Kino sah. Jedenfalls war ich unverletzt, im Gegensatz zu Bruder Martin, in dessen rechter Brust die Klinge des Beils steckte.
    Er schielte auf die Klinge, stocksteif, wie er war. Er sah den Griff, und er sah auch, wie er sich senkte, denn das Beil wollte ihm aus der Wunde rutschen. Das alles bekam ich ebenfalls mit. Ich wollte diesen Mann nicht zu einem zweiten Schuß kommen lassen.
    Deshalb rannte ich mit langen Sätzen auf ihn zu, bevor er sich wieder an die Waffe erinnerte.
    Ich riß sie ihm aus der Hand. Er tat nichts. Er atmete nur heftig. Ich starrte ihm in die Augen. Die beiden auf den Kopf gestellten Kreuze zitterten an den Umrissen, als wollten sie im nächsten Augenblick wieder verschwinden.
    »So nicht, Bruder Martin«, sagte ich und wollte ihm mein Kreuz vor die Brust hängen.
    Da brüllte er los. Er bewegte sich zurück. Das Beil rutschte jetzt aus der Wunde und fiel zu Boden, den der Abt ebenfalls nicht mehr berührte, denn die Kraft des Götzen hatte ihn in die Höhe gerissen.
    Niemand konnte ihn halten. Ich hätte auch mit einem Sprung nichts erreicht, und so blieb ich auf dem Boden stehen und schaute zu, was mit Bruder Martin geschah…
    ***
    Im Bilderbuch ›Der Struwwelpeter‹ gibt es eine Geschichte, in der ein Junge vom Sturm gepackt und in die Höhe gezerrt wird. Er fliegt dann mit seinem Regenschirm in der Hand den Wolken entgegen, und an diese Szene wurde ich erinnert, als ich den fliegenden Abt verfolgte. Das hier war leider keine Kindergeschichte, das war schon ein verdammtes, unheilvolles Spiel, denn hier waren verborgene Kräfte geweckt worden.
    Der Abt schrie immer noch.
    Ich wußte nicht, ob es Freudenschreie waren, weil er seinem Götzen bald sehr nahe sein würde, oder ob es die Laute der Angst waren, die über meinen Kopf hinwegflogen.
    Das Kreuz wartete.
    Das Gesicht in seinem Zentrum lächelte kalt und grausam. Es war ein Schatten, aber es lebte trotzdem, denn irgendwo zeigte es die Manifestation des Keltengottes Lug.
    Er war als Sonnengott in die Mythologie eingegangen, deshalb auch die Rundung, aber mit einem Gesicht im Kreis hätte ich nie und nimmer gerechnet.
    Sah dieser Götze so aus?
    Dann war es soweit.
    Plötzlich kippte der Abt nach vorn. Er hatte jetzt die Höhe des Schnittpunkts erreicht, und die mächtige Kraft der anderen Seite wuchtete den Mönch nach vorn.
    Er prallte gegen das Kreuz.
    Ich hörte einen schrecklichen Laut, als er mit dem Schädel zuerst auftraf, und ich sah auch, wie sich das andere Gesicht verzerrte, sein Maul weit aufriß, bevor etwas geschah, was mir tatsächlich den Atem raubte. Ich wollte es einfach nicht glauben, aber der alte Götze zeigte jetzt sein wahres Gesicht.
    Er fing damit an, seinen Diener zu schlucken!
    Lug war ein Kannibale!
    Ich war aufgeregt, ich war fertig, ich sah, wie sich hinter der zappelnden Gestalt ein gewaltiges, in das Kreuz hineingezeichnetes Maul bewegte, und ich spürte zugleich die Vibrationen nahe meiner Füße.
    Das Kreuz stand noch, aber im Boden brodelte und kochte es. Plötzlich hörte ich das Läuten der Kirchenglocken. Die Mönche dort schienen zu ahnen, welch ein Grauen hier ablief, und sie versuchten, es mit dem Geläut der Glocken zu bekämpfen.
    Es klang dünn, denn der starke Wind schien die Botschaft zu zerfetzen.
    Schwarz leuchtete der Kreis. Er war kein Spiegel mehr, sondern zu einem alles verschlingenden Schlund geworden, in den auch der Abt eintauchte.
    Zuletzt sah ich noch seine Füße, die sich unterhalb der Kutte heftig bewegten, dann war er weg.
    Ich stand noch da.
    Und ich schaute hoch.
    Der Boden zitterte. Die kreisrunde, schwarze Fläche glänzte mir entgegen. Die Fratze hatte sich zurückgezogen. Kreuze, die auf dem Kopf standen, waren nicht mehr zu sehen. Lug hatte sich zunächst zurückgezogen. Wahrscheinlich auch deshalb, weil er neue Kräfte sammeln wollte.
    »Nein!« flüsterte ich. »So nicht.«
    Da riß es mich in die Höhe!
    ***
    Nein, er hatte sich nicht zu lange ausruhen müssen, er nicht. In ihm steckte die unwahrscheinliche Kraft einer anderen Welt, und er war es gewohnt, sich wirklich alles zu holen. Auch mich!
    Ich konnte nichts dagegen tun. Ich kam mir tatsächlich vor wie an einem Gummiband hängend, denn während des Wegs nach oben tickte ich immer
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