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Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Das katholische Abenteuer - eine Provokation

Titel: Das katholische Abenteuer - eine Provokation
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt
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klingt das wie eine frühe Version der »All you can eat«-Angebote und des Flatrate-Saufens.
    Jedoch: Von der poetisch-derben Paradiesvorstellung, wie etwa der Dichter und Dramatiker Hans Sachs sie 1530 beschwört, hat die Todsünde der Völlerei einen pathologischen Höllensturz erfahren. Einst diente sie einer nicht unsympathischen Diesseitsfeier der einfachen Stände, die von flämischen Meistern wie Pieter Bruegel in lebensfrohen Bildern festgehalten wurde. Heute ist sie ein Krankheitsbild. Sie kommt als Bulimie (»Ochsenhunger«) daher, die ihre Patientinnen hineinfressen und wieder erbrechen lässt, oder als Magersucht, ihrer Umformulierung ins Negative. Magersüchtige Teenager halten sich für zu dick und hungern sich zu Tode. Sie leiden an einem falschen Selbstbild, sie sind an der Seele erkrankt.
    Die Völlerei ist der Wollust als beliebteste Todsünde dicht auf den Fersen. Erstaunlich, wie sehr der Kult um das Essen wieder in den Mittelpunkt gerückt ist. Wer Eindruck machen will bei seinen Freunden, verfügt über eine Bulthaup-Küche und probiert gewagte Cross-over-Rezepte aus. Wenn Lafer und Lichter bei Lanz vor den TV-Kameras die Schürze umbinden, sind Hochämter angesagt.

    Tatsächlich lassen sich die Kochshows als eine Travestie des Abendmahls verstehen. Da sind die Kutten der Ministranten, die Schürzen, da sind die ehrfürchtig betrachteten Altäre (auf denen es schmurgelt und zischt), und da ist schließlich die Gemeinde im Studio, die mit Wein bei Laune gehalten wird. Ein Hochamt des Genusses, das die Sakralität der Vorgabe hemmungslos verjuxt. Blasphemie! Womit eine weitere Sünde aufs Konto kommt. Aber die fällt, angesichts der bisher angehäuften Schuld, wohl kaum noch ins Gewicht.
    Invidia: Neid und Missgunst
    Das Handwerkszeug der Todsünde Neid ist – man hätte es sich denken können – das Gift, da genügt ein Blick in die Gazetten. Etwa Frankreich: »Eine Pharma-Assistentin hat mehr als 20 Kollegen jahrelang Schlafmittel in den Kaffee geschüttet. Ihr Motiv: Neid.« Oder der Mordanschlag mit vergiftetem Mineralwasser im Berliner Klinikum Charité: »Mögliches Motiv Neid?« Oder Nanjing: »Ein Imbissbesitzer hat in China das Essen seines Konkurrenten mit Rattengift vermischt (38 Tote). Motiv: Neid.«
    Der Neid, die schleichende gelbe Todsünde. Sicher kann sie auch explodieren. Dann wird die Nachbarsfamilie erschossen, die Konkurrentin mit dem Hammer erschlagen, die Schwägerin mit dem Messer attackiert. Doch meist ist es ein langer Weg dahin, eine destruktive Spirale nach unten, aus leisen Stichen, scheelen Blicken und Vergleichen, die immer böse ausgehen – für die eigene Person.
    Wer neidet, fühlt sich unterlegen, vom Schicksal betrogen, zu kurz gekommen in jeder Beziehung. Er verstößt auf seine Weise gegen die letzten beiden der zehn Gebote (»Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen. Du sollst nicht nach der Frau deines Nächsten verlangen ...«). Auch hier scheint Gegenwehr unmöglich, vor allem in unserer Gesellschaft, die eine des ständigen Vergleichens ist.

    Der Neid holt das Schlechteste aus uns heraus, weshalb ihn niemand eingesteht. Unter allen Todsünden ist der Neid die am meisten geächtete. Nietzsche bezeichnete Neid und Eifersucht als »die Schamteile der menschlichen Seele«. Der Neid lebt im Untergrund, »schmalgesichtig«, wie ihn Shakespeare nannte, keiner gesteht ihn ein, vielleicht wütet er deshalb umso zerstörerischer. Man darf getrost behaupten, dass die von vielen Deutschen begangenen oder geduldeten Verbrechen gegen die Juden neidgetrieben waren, denn diese stellten die Elite, die reichen Kunstsammler, Bankiers und Fabrikanten, auch Ärzte, Schriftsteller, Professoren. Auf allen gesellschaftlichen Stufen, in allen Berufen gab es jüdische Konkurrenten, die der Nazi-Mob nun aus dem Weg räumte.
    Der erste Mord, als Kain den Abel erschlug, geschah aus Neid. Doch eines unterscheidet den Neid von den anderen Todsünden. Während Schlemmerei, Unkeuschheit oder Habgier zumindest vorübergehend als Spaßprogramm durchgehen können, quält der Neidische in erster Linie sich selber. Auf alten Radierungen und Gemälden wird er dargestellt mit einer Schlange, die aus seinem Mund züngelt und mit ihren Zähnen in seine Augen fährt, mit einem Skorpion, der sich selber sticht, mit einem Hund, der an einem Knochen nagt.
    Forscher der University of Warwick und der Cornell University haben in Experimenten bewiesen, dass Probanden eher auf einen
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