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Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Titel: Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals
Autoren: M Karl
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Prolog
    Gar gekocht in Veuve Clicquot
    Ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Ich bin verliebt in zwei Verrückte, die in Abendgarderobe leere Champagnerflaschen die Fifth Avenue hinunterkullern ließen. Die auf der Motorhaube von Taxis sitzend durch Manhattan sausten und in Hoteldrehtüren Karussell fuhren. Die den Champagnerumsatz in New York und an der französischen Riviera in schwindelerregende Höhen trieben und sich bei Gelegenheit auch mal die Kleider vom Leib rissen – was niemanden störte, denn sie waren zwei außergewöhnlich schöne Menschen.
    Ja, ich bin verliebt in Zelda und F. Scott Fitzgerald. Und meine Zuneigung wächst in dem Maße, in dem Bücher über Moral, makrobiotisches Essen und Glücksversprechen die Buchhandlungen erobern. Dann doch lieber, wie F. Scott Fitzgerald in seinem Roman »Zärtlich ist die Nacht« schrieb: »gar gekocht in Veuve Clicquot«. 3
    Als Kind glaubte ich, F. Scott Fitzgerald sähe aus wie Robert Redford und käme in langen weißen Flanellhosen und mit einem strahlenden Lächeln immer gerade vom Tennisplatz. Das war lange, bevor ich »Der große Gatsby« zum ersten Mal las und F. Scott Fitzgerald mein Lieblingsautor wurde. Später lernte ich, dass meine kindliche Phantasie gar nicht so weit von der Realität entfernt war, hielten ihn doch viele seiner Zeitgenossen für den bestaussehenden Mann, dem sie je begegnet waren. F. Scott Fitzgerald war Stilikone und Popidol, umschwärmt und bewundert wie ein Filmstar und ganz nebenbei der größte Trinker unter den amerikanischen Schriftstellern. Und dazu gehörteiniges, denn Abstinenz war innerhalb dieser Berufsgruppe nicht sehr weit verbreitet.
    F. Scott Fitzgerald war der golden boy der 1920er Jahre, die er mit dem Begriff »Jazz-Ära« belegte und einer Epoche damit ihren Namen gab. Er war Chronist und herausragendster Exponent einer Zeit, die eine andere Art von Helden hervorbrachte. Helden, die nach dem Desaster des Ersten Weltkrieges nicht mehr aus Politik und Militär kamen, sondern aus Musik, Literatur, Sport und Abenteuer. Baseballspieler wie Babe Ruth, Schauspieler wie Rudolph Valentino, Musiker wie Louis Armstrong, Komponisten wie George Gershwin, wagemutige Piloten wie Charles A. Lindbergh und nicht zuletzt Schriftsteller wie F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und William Faulkner waren die Helden eines neuen Amerikas.
    F. Scott Fitzgeralds Aufstieg zum glamourösesten Schriftsteller seiner Zeit hängt maßgeblich mit den Umwälzungen zusammen, welche die 1920er Jahre des letzten Jahrhunderts mit sich brachten. Die USA waren die einzige Nation, die gestärkt aus dem Ersten Weltkrieg hervorging. Nach dem Sieg gaben sie ihre isolationistische Politik auf und gefielen sich in ihrer neuen Rolle als Supermacht. Allerdings hinterließ dieser Sieg bei der Generation, die den Krieg ausgefochten hatte, ein zwiespältiges Gefühl. Die jungen Leute, zu denen auch Fitzgerald gehörte, hatten für die Freiheit und gegen ein korruptes altes Europa gekämpft und auf dem Schlachtfeld den Untergang ihrer Ideale erleben müssen. Nach ihrer Rückkehr warfen sie desillusioniert alle moralischen Skrupel über Bord und widmeten sich fortan einzig dem Vergnügen. Der Krieg hatte hedonistische Zyniker mit unstillbarem Lebenshunger geboren, für die die Werte der Gründerväter keine Bedeutung mehr hatten.
    Die 1920er Jahre waren die Jahre des Börsenbooms und des schnellen Geldes. Das politische Selbstbewusstsein der USA spiegelte sich in einem scheinbar grenzenlosen Wirtschaftswachstum wider. Die moderne Konsumgesellschaft löste die puritanische Gesellschaft ab, in der Sparsamkeit und Askese an oberster Stelle gestanden hatten. Geld und Luxus waren die Götter dieses neuen Amerikas. Dies ist die wahre Geburtsstunde des American way of life , jener uramerikanischen Art, das Leben zu sehen und jenseits des alten Europas einen eigenen Weg zu beschreiten. Bis zum Schwarzen Freitag im Oktober 1929 schien absolut alles möglich. Es ist die Zeit, in der sich die USA auch kulturell von Europa emanzipieren und Schriftsteller wie Ernest Hemingway, WilliamFaulkner, John Dos Passos oder Thomas Wolfe, die der Konsumgesellschaft kritisch gegenüberstanden, eine eigenständige amerikanische Literatur begründen.
    Die 1920er Jahre wurden zum Jahrzehnt der Jugend erklärt, und F. Scott Fitzgerald und seine Frau Zelda zu ihrem König und ihrer Königin. Denn dass der Gralsritter der New Yorker Nachtclubs das schönste Mädchen des Südens geheiratet
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