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Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals

Titel: Wir brechen die 10 Gebote und uns den Hals
Autoren: M Karl
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und an seiner Seite nun eine ebenso kluge wie aufregende Frau hatte, machte die beiden zum Traumpaar der Roaring Twenties . Und dass sich ihr spektakuläres Eheleben in aller Öffentlichkeit abspielte, machte sie zu den erklärten Lieblingen der Klatschpresse. Bereits Anfang der 1920er Jahre hatte Zeitungszar Randolph Hearst zwei Reporter beauftragt, das Paar rund um die Uhr zu begleiten und minutiös über alles zu berichten, was die beiden anstellten. Und das war eine ganze Menge. Dass F. Scott Fitzgerald neben all den Skandalen, die er lieferte, einer der bedeutendsten Schriftsteller seines Jahrzehnts war, ging darüber fast unter. Dabei gelang es ihm wie keinem Zweiten, das Lebensgefühl der 1920er Jahre einzufangen und sehr wohl auch die zerstörerische Seite zu zeigen, die dem amerikanischen Traum innewohnte.
    Die wahnsinnige Liebesgeschichte der Fitzgeralds fand Eingang in Artikel, Biografien, Romane und Essays, die ich von jeher mit größter Neugierde verschlang. Dabei fiel mir auf, dass es von Anfang an zwei Lager gab, die sich unversöhnlich gegenüberstanden. Da waren die, die für Zelda Partei ergriffen und Scott für das grausame Schicksal seiner Frau verantwortlich machten. Dieses Lager wurde vor allem mit der zweiten Welle der Frauenbewegung in den späten 1960er Jahren immer größer. Auf der anderen Seite standen all diejenigen, die in Zeldas Lebenshunger und Egoismus die Schuld für Scotts Tragödie suchten. Dazu gehörten viele ihrer Freunde und Zeitgenossen.
    In den letzten Jahren bekam das Zerrbild von F. Scott Fitzgerald, dem Unterdrücker und Tyrannen, neue Nahrung. Das Genre der Romanbiografie nahm sich Zeldas Geschichte an und schilderte mit dichterischer Freiheit ihren Absturz um einiges dramatischer, als dieser ohnehin gewesen war. Ich las es mit Befremden. Natürlich ist mir bewusst, wie viele Genies ausgesprochene Unsympathen waren. Doch F. Scott Fitzgerald wird von Zeitgenossen übereinstimmend als sensibler und loyaler Mann beschrieben. Konnte ein Mann, dessen Sprache so fein, so poetisch war, ein solches Scheusal sein? Es fiel mir schwer, das zu glauben;doch ich kenne die unzähligen Beispiele unterdrückter weiblicher Kreativität zu gut, um das in Zeldas Fall als Humbug abzutun. Ich beschloss, mir selbst ein Bild von der Situation zu machen und zu hören, was die beiden Hauptdarsteller dieses Dramas zu ihrer Verteidigung zu sagen haben. Wer, wenn nicht sie, konnten mir die Frage beantworten, die mir auf der Seele brannte: Wer hat hier wen zugrunde gerichtet?
    Und so begab ich mich auf eine lange Reise, zurück in eine Zeit, in der Männer noch Brooks-Brothers-Anzüge und Pomade im Haar trugen. In der Alkohol verboten und ein Rock, der über dem Knie endete, ein Novum waren. In der ein Bubikopf als Skandal und ein separater Bühneneingang für schwarze Künstler als normal galten. In der Jazz die Musik der rebellierenden Jugend war und die Menschen auf mächtigen Ozeandampfern den Atlantik überquerten.
    Es wurde für mich eine Reise kreuz und quer durch Nordamerika: von New York über Minnesota nach Alabama und von dort aus weiter nach Los Angeles. Unterschiedlichere Landschaften und Menschen kann man sich kaum vorstellen, und doch haben sie alle das Leben der Fitzgeralds beeinflusst. Zelda und F. Scott Fitzgerald zu folgen ist nicht schwer, haben sie doch ihr Leben in Romanen, Kurzgeschichten und Artikeln exakt beschrieben, ja ihre Protagonisten sogar oft unter denselben Adressen untergebracht, unter denen sie selbst lebten. F. Scott Fitzgerald führte ein Kontobuch, in dem er Jahr für Jahr alles, was passierte, akribisch notierte, um dann doch irgendwann den Überblick über sein Leben komplett zu verlieren. Mir half es dabei, einen Überblick zu gewinnen, über sein Schaffen, sein Leiden, seine finanziellen Verhältnisse, seine Erfolge und Niederlagen, seine Freunde und Gegner, seine Aufenthaltsorte, Krankheiten und nicht zuletzt über sein Leben mit Zelda. In seinen Texten hat F. Scott Fitzgerald mir verraten, dass Irving Berlin sein Lieblingskomponist war, Charlie Chaplins Film »Der Pilger« sein Lieblingsfilm und »Der Held der westlichen Welt« von John M. Synge sein bevorzugtes Theaterstück. Dass er die englischen Romantiker George Byron und Percy Shelley liebte und John Keats sein Lieblingsdichter war, war nicht schwer herauszufinden. Er trank gerne Bier, Coca-Cola und Gin und schrieb zeitlebens mit Bleistift. Dass er selten vor ein Uhr mittags aufstand und zwischen
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