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Das Kartengeheimnis

Das Kartengeheimnis

Titel: Das Kartengeheimnis
Autoren: Jostein Gaarder
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bekommt, ehe sie ins Land im Süden geht, um sich selber zu finden. Vater und Sohn suchen schöne Frau, die sich nicht selber findet.
    Zwerg mit kalten Händen zeigt Weg ins abgelegene Dorf und gibt Jungen aus Land im Norden Lupe mit auf die Reise. Die Lupe paßt in die Kerbe vom Goldfischglas. Goldfisch verrät nicht Inselgeheimnis, wohl aber Brötchen. Brötchenmann ist Soldat aus Land im Norden.
    Wahrheit über Großvater liegt in den Karten. Das Schicksal ist eine Schlange, so hungrig, daß sie sich selber verschlingt. Die innere Schachtel packt die äußere Schachtel aus, und die äußere Schachtel packt die innere Schachtel aus. Das Schicksal ist ein Blumenkohl, der wächst an allen Seiten gleich.
    Knabe begreift, daß Brötchenmann sein Großvater ist, und Brötchenmann begreift, daß Knabe aus Land im Norden sein Enkel ist. Brötchenmann ruft in magisches Rohr, und seine Stimme reicht viele hundert Meilen. Seemann spuckt starkes Getränk aus. Die schöne Frau, die sich selber nicht gefunden hat, findet statt dessen ihren geliebten Sohn.
    Die Patience ist ein Sippenfluch. Es gibt immer einen Joker, der Blendwerk durchschaut. Eine Generation folgt auf die andere, aber es geht ein Narr durch die Welt, dem der Zahn der Zeit nichts anhaben kann. Wer das Schicksal durchschauen will, muß es überleben.

HERZ ZEHN
    ... es geht ein Narr durch die Welt, dem der Zahn der Zeit nichts anhaben kann...
    Es war nicht leicht einzuschlafen, nachdem ich die letzten Seiten im Brötchenbuch gelesen hatte. Das Hotel wirkte plötzlich gar nicht mehr so klein. Das Hotel »Baradello« und die Stadt Como fügten sich in etwas unendlich viel Größeres ein.
    Was den Joker anging, war alles genauso, wie ich es mir vorgestellt hatte: Der Zwerg von der Tankstelle war derselbe, der zwischen den Lagerhäusern im Hafen von Marseille verschwunden war. So lange war er schon in der Welt. Ab und zu hatte er sich den Bäckern von Dorf gezeigt, die übrige Zeit war er wahrscheinlich ruhelos durch die Welt gezogen. Am einen Tag besuchte er dieses Dorf, am nächsten ein anderes. Das einzige, was sein wahres Ich verbarg, war ein dünner Anzug, den er über das lila Gewand mit den klingenden Glöckchen gezogen hatte. So konnte er nicht einfach in irgendeine Satellitenstadt ziehen. An einem festen Wohnort würde man außerdem bemerken, daß er sich in zehn, zwanzig oder hundert Jahren nicht veränderte.
    Ich wußte aus der Geschichte, daß der Joker rennen und rudern konnte, ohne danach erschöpft zu sein wie wir gewöhnlichen Sterblichen. Er konnte also durchaus hinter Vater und mir hergelaufen sein, seit wir ihn an der Schweizer Grenze zum ersten Mal gesehen hatten. Aber er konnte natürlich auch auf einen Zug aufgesprungen sein.
    Ich war ganz sicher, daß der Joker sich in die große Patience gestürzt hatte, nachdem er von der kleinen auf der geheimnisvollen Insel weggelaufen war. Und beide Male hatte er einen wichtigen Auftrag gehabt: Kleine und große Zwerge mußten in regelmäßigen Abständen daran erinnert werden, daß sie seltsame Geschöpfe waren, die zwar quicklebendig sind, aber nur allzu wenig von sich selber begreifen.
    Im einen Jahr war er in Alaska oder im Kaukasus, im anderen in Afrika oder Tibet. In der einen Woche tauchte er im Hafen von Marseille auf, in der nächsten rannte er über den Markusplatz in Venedig.
    Nun hatten also alle Teile des Jokerspiels ihren Platz gefunden. Ich fand es einen schönen Gedanken und ein schönes Gefühl, daß alle Sätze, die der Bäcker-Hans vergessen hatte, sich so wunderbar ins Ganze einfügten.
    Auch einer der Sätze der Könige war Bäcker-Hans’ Aufmerksamkeit entgangen: »Eine Generation folgt auf die andere, aber es geht ein Narr durch die Welt, dem der Zahn der Zeit nichts anhaben kann.« Diesen Satz hätte ich meinen Vater gern lesen lassen. Ich hätte ihn gern vor ihm hochgehalten, als Beweis dafür, daß das Bild vom Wüten der Zeit, das er für mich gezeichnet hatte, nicht so pechschwarz war, wie er behauptete. Nicht alles wird von der Zeit in Stücke gerissen. Es gibt einen Joker im Kartenspiel, der durch die Jahrhunderte hindurch hin und her springt, ohne auch nur einen Milchzahn einzubüßen.
    Ha! Ich fand, das verhieß nicht mehr und nicht weniger, als daß die Verwunderung des Menschen über das Dasein niemals vergehen würde. Diese Verwunderung war zwar eine seltene Gabe, doch dafür würde sie sich auch niemals ganz auslöschen lassen. Sie würde immer wieder auftauchen,
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