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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Autoren: Cédric Bannel
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Afghanen. Babrak hatte ein glattrasiertes Gesicht, trug Jeans und hatte die Kurta auf westliche Art in den Hosenbund gestopft, was ihm während der Talibanherrschaft eine Gefängnisstrafe eingebracht hätte. Dass die Islamisten inzwischen erneut an Boden gewannen, bewies die Tatsache, dass seit einiger Zeit viele das Gewand wieder locker herabhängen ließen …
    Osamas Geländewagen wartete bereits auf ihn, ein Polizist saß am Steuer. Ein dunkelgrüner amerikanischer Pick-up stand dahinter, auf der Rückbank saßen drei Männer in makelloser Uniform, mit Tarnhut, das Sturmgewehr in der Hand. Beide Wagen waren neu. Ein Geschenk der UNO, wie fast alle offiziellen Fahrzeuge, die auf den Straßen Kabuls unterwegs waren. Osama hatte von verschiedenster Seite Gerüchte gehört, wonach das Verkehrsministerium mindestens dreißig Prozent des Wertes dieser Wagen an Schmiergeldern erhalten hatte, aber er wusste nicht, ob das wirklich stimmte. In Kabul konnte man alles kaufen, angefangen bei der Familie und den Vertrauten Präsident Karzais, die ein Millionenvermögen in Dollars angehäuft hatten: Als wären der Krieg, das Elend, die Millionen von Toten und Vermissten in Afghanistan noch nicht genug, kam die Korruption in allen Bereichen als weitere Plage hinzu.
    Der Fahrer brauste los. Osama ließ sich auf den Rücksitz sinken, um nachzudenken. Als Chef der Kriminalbehörde Kabuls wurde er bei allen Todesfällen in der Stadt hinzugerufen. Jedes Jahr starben Hunderte eines unnatürlichen Todes, mehr als drei Viertel der Todesfälle waren jedoch auf Terrorismus zurückzuführen und tauchten somit in der Polizeistatistik nicht auf. In diesen Fällen hielt Osama sich vorsichtig im Hintergrund und ließ den ISAF-Leuten den Vortritt. Obwohl sie sich nach außen hin freundlich gaben, misstrauten die Amerikaner ihm, wie allen Afghanen, und sein Vorname verstärkte dieses Misstrauen noch. Wie sollte er ihnen auch klarmachen, dass damals, als sein Vater Mohammed Kandar, der Dritte dieses Namens, ein Hirte und seinerseits Sohn eines belutschischen Schäfers, ihn so genannt hatte, Scheich Osama Bin Laden noch ein völlig unbekannter saudischer kleiner Junge gewesen war, allein dafür bekannt, dass er mit einem silbernen Löffel im Mund aufwuchs? Doch so war es nun einmal, und die Tatsache, dass er Osama und gleichzeitig Polizeichef in einem vonNATO-Truppen besetzten Land war, machte die Dinge nicht leichter …
    Von der Rückbank aus beugte Babrak sich grinsend zu ihm vor.
    »Wenn ein Minister sich dorthin bemüht, muss es sich ja um etwas wirklich Wichtiges handeln. Jedenfalls ist das der erste Selbstmord eines Mannes, mit dem ich zu tun bekomme. Bislang waren es immer nur Frauen, die sich einer arrangierten Heirat widersetzten.«
    »Vielleicht war es ja ein Familienmitglied von ihm. Ich frage mich, warum er es vor uns wusste. Aber zur Vorwarnung, du wirst enttäuscht sein.«
    »Weshalb?«
    »Aus Sicht der Polizei sind solche Fälle ziemlich uninteressant. Dahinter stehen immer irgendwelche banalen und traurigen Familiengeschichten, zerstörte Existenzen. Und die Familien kommen nur schwer damit zurecht.«
    »Ich wusste gar nicht, dass du schon mit so was zu tun hattest.«
    »Während meines Aufenthalts in Moskau habe ich mehrere Selbstmorde gehabt.«
    Osama war sehr sprachbegabt. Außer Dari sprach er fließend Englisch und ein wenig Türkisch. Während einer Fortbildung in Moskau, kurz vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan, hatte er auch Russisch gelernt. Gleich nach seiner Rückkehr in die Heimat war er zum Leiter der neugegründeten Kriminalbehörde ernannt worden.
    Der Fahrer bremste scharf, Osama riss es abrupt nach vorn, und er wurde in seinen Gedankengängen unterbrochen.
    »Bok soyun!«
    Der turkmenische Fahrer ließ eine Serie von Flüchen auf den Minibus niederprasseln, der ihm die Vorfahrt genommen hatte. Unwillkürlich hatte sich Osama innerlich angespannt. Nicht selten endete ein Schicksal auf diese Weise: Ein Wagenschnitt einem den Weg ab, Männer sprangen heraus und ballerten mit der Kalaschnikow drauflos, oder, schlimmer noch, der Fahrer ließ seinen Gürtel mit Sprengkörpern explodieren und gönnte sich eine Fahrkarte ins Paradies, zusammen mit seinem Zielobjekt. Als Beamter der Regierung war Osama eine Zielscheibe für die Taliban, auch wenn er für seine entgegenkommende Art bekannt war. An jedem Tag, der verging, bei jedem Fauxpas, jeder neuen Erniedrigung, wuchs der Hass der afghanischen Bevölkerung
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