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Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott

Titel: Das Kabul-Komplott - Bannel, C: Kabul-Komplott
Autoren: Cédric Bannel
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er die zahlreichen Bilder, die an den Wänden hingen. So etwas hatte er noch nie gesehen. Er ließ ein weiteres Zimmer hinter sich, bis er schließlich in ein riesiges Büro gelangte. Vier Männer, darunter ein Westler im Anzug, standen um eine ausgestreckte Gestalt am Boden, die in ihrem eigenen Blut lag. Osama erkannte unter den Anwesenden Burhanuddin Khan Durrani, den Innenminister. Er war sein direkter Vorgesetzter, ein korrupter, dummer Paschtune, den Osama verachtete.
    Die Miene Khan Durranis verdüsterte sich, als er den Kommissar erblickte, gleich darauf rief er ihm aber zu: »Ah, Kandar! Wir dachten, es käme ein einfacher Bezirksinspektor, Sie hätten sich nicht extra herzubemühen brauchen.«
    Weshalb war dann er, ein Regierungsmitglied und Clanchef, anwesend?, fragte sich Osama, der wohlweislich keine Antwort gab. Er trat vor und versuchte, die Szene mit seineminneren Auge zu bannen. Der auf dem Boden ausgestreckte Leichnam war der eines ungefähr fünfzigjährigen, recht beleibten Mannes, der den traditionellen
Pankan
trug. Er hielt noch eine Waffe in der Hand, die Osama als automatische Beretta identifizierte. Die Kugel war durch den Mund eingedrungen und hatte den gesamten hinteren Teil des Schädels in die Luft gejagt, das Gesicht war intakt geblieben. Blut war an die Wand und an die Decke gespritzt, vermischt mit einer grauen zähflüssigen Masse. Die Augen des Mannes waren weit aufgerissen. Er wirkte überrascht. Osama bemerkte einen dunklen Fleck auf der Vorderseite seiner Hose – Urin.
    »Wer war das?«
    Er hatte den Mann erkannt, wollte die Antwort aber von seinem Vorgesetzten selbst hören.
    »Wali Wadi«, antwortete dieser mit verächtlichem Lächeln.
    Wadi war ein ziemlich durchschnittlicher Unterhändler, den man wegen einiger Transaktionen mit den Besatzern kannte. Er hatte sich vor allem darauf verstanden, Benzin in den Militärlagern zu besorgen und es an die Tankstellen weiterzuverkaufen. Außerdem war er in einige Fälle verwickelt, bei denen es um die Veruntreuung von Lastwagen und Hilfsgütern sowie um den Handel mit Leichtwaffen ging – nichts wirklich Schlimmes also. Osama wusste, was für einen Ruf der Tote hatte. Wadi war Usbeke, mit den blutigen Auseinandersetzungen zwischen paschtunischen und tadschikischen Clans hatte er nichts zu tun. Er war immer vorsichtig gewesen, die Russen, die Westler und die Taliban schätzten ihn gleichermaßen, weil man sich auf ihn unbedingt hatte verlassen können. Ein geschickter Unterhändler, dessen Position jedoch nicht besonders exponiert war und der sich sicherlich nicht gleich umgebracht hätte.
    »Gibt es Zeugen?«
    »Er hat seinen Bediensteten erschossen, bevor er sich selbst umbrachte. Die anderen Mitglieder des Personals sind nachts nicht da. Und dann … wie heißt es gleich in Russland, wennman seine Familienmitglieder tötet, bevor man sich selbst umbringt, Kandar?«
    Sein kleiner Monolog auf Englisch war zu Ende. Wie immer musste er betonen, dass Osama sich längere Zeit in der UdSSR aufgehalten hatte, nur um ihn in den Augen des Westlers zu diskreditieren, der bei der Erwähnung Russlands unmerklich zusammenzuckte.
    »Altruistischer Selbstmord«, erwiderte er. »Aber es handelte sich um seinen Bediensteten, nicht um ein Familienmitglied.«
    »Er lebte allein. Anscheinend mochte er lieber Jungs als Mädchen. Vielleicht hat er sich deshalb umgebracht.«
    »Vielleicht. Ich würde gern auch die anderen Mitglieder des Personals befragen.«
    »Sie verlieren Ihre Zeit, Kandar.«
    Osama biss sich auf die Lippen. Er hatte verstanden. Aus einem Grund, der ihm schleierhaft war, wollte die Regierung den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit breiten. Khan Durrani war also hier, um seine eigenen Mitarbeiter daran zu hindern, ihre Arbeit zu verrichten.
    »Gestatten Sie mir, meine Untersuchung vorschriftsgemäß durchzuführen, Herr Minister«, sagte Osama. »Ich werde aber selbstverständlich darauf achten, die Zeit meiner Mitarbeiter nicht zu verplempern.«
    Khan Durrani wurde auf der Stelle umgänglicher.
    »Natürlich, tun Sie nur Ihre Arbeit. Halten Sie mich auf dem Laufenden. Geben Sie mir bitte Bescheid, sobald Sie die Untersuchungen abgeschlossen haben.«
    Er verließ den Raum mit raschen Schritten, dicht gefolgt von den anderen Besuchern, so dass Osama allein mit seinen Männern im Raum zurückblieb. Während der kleine Trupp von Khan Durrani an ihm vorüberging, fiel ihm ein unauffälliges Signet auf der Brust des Westlers im
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