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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video
Autoren: Andreas Eschbach
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etwas wie sein Markenzeichen geworden, unfreiwillig, und die Jahre hatten ihre Spuren darauf hinterlassen. Er zog ein Taschentuch hervor, das einmal weiß gewesen war, wischte sich damit über die Stirn und dann über den Schädel, auf dem das altersgraue Haar seit Jahrzehnten auf dem Rückzug war.
    »Shimon«, sagte er halblaut.
    Aus dem benachbarten Erdloch kam der Kopf eines Mannes, der um die fünfzig sein mochte, ein rundes Vollmondgesicht mit krausem dunklem Haar und starkem Bartwuchs. Die Augen blinzelten geistesabwesend. Sie hatten bis gerade eben in eine zweitausend Jahre zurückliegende Zeit geblickt und stellten sich nur mühsam zurück auf die Gegenwart ein.»Was gibt’s?«
    Er deutete auf die näherkommende Staubwolke.»Wir bekommen Besuch.«Mittlerweile erkannte man das Fahrzeug, eine langgezogene dunkle Limousine, die eindeutig nicht für derartige Schotterpisten gebaut war. Die Sonne tanzte glitzernd auf den Chromleisten rund um die verdunkelten Scheiben, wenn der Wagen durch eines der zahllosen Schlaglöcher fuhr und dann schaukelte wie ein Küstenwachboot in schwerem Seegang.
    »Besuch?«Shimon erhob sich schwerfällig und schaute zu dem Fahrzeug hinüber.»Wer kann das sein?«
    »Hoher Besuch.«
    »Jemand von der Regierung?«
    »Noch höher vermutlich.«Er setzte den Sonnenhut wieder auf und stopfte das Tuch zurück in seine Hosentasche.»Unser Geldgeber.«
    »Ah!«Shimon Bar-Lev sah ihn an. Sie arbeiteten seit fast zwanzig Jahren zusammen.»Areal 14, nicht wahr? Das will er sich ansehen. Und was ist mit uns? Willst du ewig ein Geheimnis daraus machen, was du und dieser — wie heißt er?«
    »Foxx«, erwiderte WilfordSmith geduldig. Shimons schlechtes Gedächtnis für die Namen lebender Personen war legendär.»Stephen Foxx.«
    »Ja, genau. Was du und dieser Foxx gefunden habt?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Aber der Mann in der Limousine dort erfährt es vor mir?«
    »Ja. Glaub mir, Shimon, wenn du es erst weißt, wirst du verstehen, warum ich mich so anstelle.«
    Shimon knurrte etwas Unverständliches. Er wirkte dabei wie ein trotziges Kind.
    WilfordSmith sah sich um. Satellitenbilder hatten ihn auf die Spur dieser Siedlung gebracht, die um die Zeitenwende herum bewohnt gewesen war. Aufgrund dieser Bilder hatten sie neunzehn auszugrabende Areale bestimmt. Innerhalb jedes Areals waren sie nach einem Gittersystem vorgegangen, wobei Quadrate von fünf mal fünf Metern freigelegt wurden. Das auf der Oberfläche markierte Gitter blieb dabei stehen und bildete zwischen den ausgegrabenen Quadraten ein Schnittprofil von einem Meter Breite, das es dem Ausgräber erlaubte, alle Details einem festen Bezugssystem zuzuordnen. Das war die traditionelle Methode, die sich in aller Welt bewährt hatte. Und natürlich waren die Gitter -die» Katzenstege «, wie man sie nannte — die Zugangswege zu allen Grabungsstellen, manchmal wie ein System schmaler Brücken über Abgründe.
    Von den neunzehn Arealen wurden vorerst nur die fünf vielversprechendsten bearbeitet. Das hieß, seit gestern sechs. Er hatte die Arbeiten am Areal 14 einstellen lassen und die Hilfskräfte statt dessen damit beginnen lassen, die obersten Schichten von Areal 3 abzutragen. Über dem Fundort stand jetzt ein großes weißes Zelt, das nachts von zwei grimmigen jungen Männern mit geladenen Maschinenpistolen bewacht wurde. Diese Männer gehörten einem in Tel Aviv angesiedelten Sicherheitsdienst an und waren keine anderthalb Stunden nach seinem Telefonat mit dem Mann aufgetaucht, der jetzt aller Voraussicht nach in der schwarzen Limousine saß.
    Natürlich gab es Gerüchte. Er konnte es förmlich brummen hören, wenn er zwischen den Ausgräbern hindurchging. Die meisten waren Volontäre, freiwillige junge Hilfskräfte aus aller Welt, die ihnen die Israel Antiquities Authority in Jerusalem vermittelte. Für ein lächerliches Entgelt und das Gefühl von Abenteuer nahmen sie es auf sich, täglich früh aufzustehen und den ganzen Tag körbeweise Erde und Steine zu schleppen. Nun beobachteten sie ihn aus den Augenwinkeln und fragten sich, was hier eigentlich vorging.
    »Vielleicht ist es am besten, wenn wir alle Arbeiten für heute einstellen«, überlegte er halblaut.»Die Leute sollen sich ausruhen.«
    Shimon sah ihn entgeistert an.»Aufhören? Aber es ist noch nicht einmal drei Uhr!«
    »Ich weiß.«
    »Was soll das? Es gibt so viel zu tun. Sie haben gerade angefangen mit dem neuen Areal, und…«
    Er spürte, wie seine Stimme einen
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