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Das Jesus Video

Das Jesus Video

Titel: Das Jesus Video
Autoren: Andreas Eschbach
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und so wollte er es.
    Noch nie war er vor etwas zurückgeschreckt, das er sich zu tun vorgenommen hatte, nur weil er nach landläufiger Meinung nicht das richtige Alter dafür gehabt hätte. Er hatte recht früh begriffen, welche Rolle Geld im Leben spielte: Geld war das Hilfsmittel, das einem erlaubte, das Leben zu führen, das man führen wollte. Wer Geld hatte, konnte tun, was er wollte — wer kein Geld hatte, mußte das tun, was andere wollten. Also war es besser, Geld zu haben.
    So hatte er früh begonnen, sich mit Computern zu beschäftigen, aber nicht aus einem Spieltrieb wie die meisten Cornputerfreaks, sondern weil er spürte, daß damit am leichtesten das Geld zu verdienen war, das es ihm erlauben würde, das Leben zu führen, das er führen wollte: vor allem ein interessantes Leben.
    Mit sechzehn hatte er das Kunststück fertiggebracht, ein Unternehmen seiner Heimatstadt, das mit Autozubehörteilen handelte, davon zu überzeugen, daß er imstande war, ih-nen ein maßgeschneidertes EDV-Verwaltungssystem zu erstellen, das besser funktionieren würde als das, das sie bisher hatten, und das auf den Computern laufen würde, die sie bereits besaßen — und ein Jahr später nahm er tatsächlich einen Scheck in Empfang über eine Summe, deren Höhe sogar seinem Vater, der Rechtsanwalt war und gewohnt, schmerzhaft hohe Rechnungen zu stellen und bezahlt zu bekommen, Respekt abnötigte.
    Der Kniff bei diesem Mammutunternehmen war gewesen, daß Stephen Foxx tatsächlich nur die präzisen Spezifikationen für das EDV-System geschrieben hatte, programmiert hatten die einzelnen Bestandteile dagegen Programmierer in Indien, allesamt Studenten der Informatik, die er per Internet angeworben und von denen er keinen einzigen je zu Gesicht bekommen hatte. Alles war über die Datennetze abgewickelt worden, zu der Zeit noch eine komplizierte Angelegenheit für Insider: Er hatte die detaillierte Beschreibung eines Funktionsbausteins nach Indien übermittelt, der betreffende Partner hatte danach das entsprechende Programm entwickelt und den Programmcode auf demselben Weg zurückgeschickt. Stephen hatte lediglich die einzelnen Komponenten zu einem Gesamtsystem zusammensetzen und, nach eingehenden Funktionstests, bei seinem Auftraggeber auf dessen -zum Glück schon fix und fertig vorhandenen — Computern installieren müssen.
    Das hatte wunderbar funktioniert, vor allem deshalb, weil die Qualität der Programme, die er von seinen indischen Partnern erhalten hatte, alles übertroffen hatte, was er in seinem Umfeld gewohnt war. Fehlerfrei, sozusagen. Der komplizierteste Teil des ganzen Unternehmens war am Ende gewesen, das ihnen zustehende Geld von amerikanischen auf indische Banken zu transferieren — eine Prozedur, die Stephen noch fünfmal wiederholte, weil er das Programm danach noch an fünf weitere Firmen verkaufte. Nicht nur er, auch seine indischen Subunternehmer waren auf diese Weise zu reichen Leuten geworden, und heute hatten die meisten von ihnen eigene Software-Unternehmen, die für Auftraggeber aus aller Welt tätig waren. In Indien programmieren zu lassen war für viele westliche Firmen inzwischen gang und gäbe.
    Stephen verspürte nicht den Drang, nach der Million nun nach der Milliarde zu streben. Was in jemandem wie John Kaun vorging, konnte er wohl versuchen sich vorzustellen, nachvollziehen konnte er es nicht. Er hatte ganz normal die High School abgeschlossen, studierte Volkswirtschaft an einer relativ unbekannten, gemütlichen kleinen Universität, fuhr mit einem knallroten Porsche umher und schleppte nach Kräften die heißesten Mädchen ab. Auf seinem Geld ruhte er sich mehr oder weniger aus. Er hatte es so investiert, daß die Erträge daraus seinen Lebensstil zum größten Teil finanzierten, und wie es aussah, würde er Zeit seines Lebens nicht mehr gezwungen sein, zu arbeiten. Dafür, fand er, hatten sich die stressigen anderthalb Jahre gelohnt.
    Und mindestens einmal im Jahr verschwand er in die weite Welt. Normale Reisen hatte er, seit er denken konnte, verabscheut: Irgendwohin zu fahren, um sich»die Gegend«oder»die Sehenswürdigkeiten«anzuschauen, war ihm immer ausgesprochen sinnlos vorgekommen. Die Leute, die das taten, gaben für gewöhnlich damit an, nette Restaurants auf Sri Lanka zu kennen oder schon einmal um die Pyramiden herumgeritten zu sein, aber wenn man dann hartnäckig blieb und weiterfragte, dann stellte sich heraus, daß sie in ihrer Heimatstadt nur ihre Stammkneipe kannten und
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