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Das Jahr des Hasen

Titel: Das Jahr des Hasen
Autoren: Arto Paasilinna
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wird.
    Die Vernunft sagte Vatanen, daß Bären keine Men­ schen anfallen, aber manchmal geschehen ja auch vernunftwidrige Dinge.
    Und siehe da, eines Nachts drückte der Bär das Fen­ ster mitsamt dem Rahmen ein, schob den Oberkörper in die Hütte und schnupperte in der warmen Luft. Drau­ ßen schien der Vollmond, die Gestalt des Bären verdeck­ te fast die ganze Fensteröffnung. Der Hase sprang fie-pend auf die Liege und versteckte sich hinter Vatanens Rücken. Der lag ganz steif auf seinem Lager; es kam einiges auf ihn zu.
    Der Bär beschnüffelte die Lebensmittel auf dem Tisch. Dort lagen Essensreste vom Abend: trockenes Rentier­ fleisch, Brot, Butter, eine Tube Tomatenketchup und anderes mehr. Vatanen sah, wie der Bär im Schein des Mondes die Eßwaren geschickt mit der Schnauze pack-te. Er raschelte mit Papier, man hörte Schmatzen. Wie raffiniert er vorging! Bald hatte er alles aufgefressen und zog sich für kurze Zeit nach draußen zurück.
    Als er wiederkam, war er kühner. Diesmal entdeckte er die Tube Tomatenketchup, nahm sie in die Tatzen und untersuchte sie verwundert. Der Geruch schien ihn zu interessieren, er schnupperte, begriff jedoch nicht, wie man an den Inhalt herankam.
    Der Bär quetschte die Tube zusammen. Vatanen hörte ein prustendes Geräusch und verdutztes Schnaufen, Tomatenketchup spritzte über seinen Kopf hinweg an die Wand.
    Der Bär schien an der Tube zu lecken. Zwischendurch spritzte er Ketchup in die Stube, beschmierte sich wahr­ scheinlich auch selbst gründlich damit. Er leckte sich das Fell ab. Bei diesem Geräusch fiel Vatanen der Name der Hütte ein, »An der Schmatzerschlucht«, genau das tat nämlich der Bär.
    Anschließend leckte er die Tischplatte ab, die Wachs­ tuchdecke knautschte unter seiner dicken Zunge. Die Spuren des Tomatenketchups lockten ihn immer tiefer in die Hütte, er zwängte sich immer weiter durch die Fensteröffnung, die er schließlich ausfüllte wie eine Flaschenbürste den Flaschenhals. Er legte sich mit dem ganzen Oberkörper auf den Tisch, bis dieser zusam­ menbrach und der Bär mitten in die Stube plumpste. Teile des zerbrochenen Tisches polterten zu Boden, der Bär schien ein wenig erschrocken, erholte sich aber schnell. Er untersuchte nun das Innere der Hütte. Va­ tanen wagte nicht, sich zu rühren.
    Der Bär leckte den Fußboden ab, dort gab es also auch noch Ketchup. Der Mond beleuchtete das große, geschmeidige Tier, dessen Anblick furchterregend war. Der riesige Kopf bewegte sich rhythmisch leckend auf Vatanens Fußende zu wie eine unheimliche Reini­ gungsmaschine.
    In diesem Augenblick verlor der Hase die Nerven. Er sprang von der Liege und flitzte durchs Zimmer. Der Bär versuchte vergeblich, ihn zu fangen, und der Hase versteckte sich in einer Ecke.
    Der Bär beruhigte sich und leckte am Fußende von Vatanens Liege die Wand ab.
    Erst jetzt bemerkte er den Mann. Verwundert unter­ suchte er ihn, vorsichtig und neugierig. Feuchtwarmer Bärenatem schlug Vatanen entgegen. Der Bär schnaub­ te, als er seinerseits Vatanens Atem spürte, er packte ihn mit seinen Pranken und schüttelte ihn ein wenig. Vatanen lag so entspannt wie möglich da und versuchte bewußtlos zu wirken.
    Der Bär betrachtete den Mann in seinen Armen, er ähnelte dabei einem Troll, der eine Puppe in Händen hält und nichts Rechtes damit anzufangen weiß. Ver­ suchsweise biß er Vatanen in den Bauch, was einen gellenden Schmerzensschrei zur Folge hatte. Er­ schrocken warf er den Mann an die Wand und stürzte durchs Fenster nach draußen.
    Vatanen hielt sich den Bauch, vor seinen Augen flim­ merte es rot und weiß, unter seinen Händen wurde es feucht. Ob die Bauchdecke durchgebissen war? überleg­ te er entsetzt. Er nahm das Gewehr vom Haken, ging gebückt auf den Hof und schoß ins Dunkel. Der Bär war geflüchtet, und am Himmel leuchtete der Mond.
    Vatanen kehrte in die Hütte zurück, zündete ein Licht an und untersuchte seinen Bauch. Der war glitschig vom Blut und vom Geifer des Bären, doch besonders schlimm sah die Wunde nicht aus. Es war eher ein Probebiß, ein Zwicken gewesen.
    Der Hase hinkte. Wahrscheinlich war der Bär auf ihn getreten und hatte es gar nicht gemerkt, denn sonst hätte er den Hasen mit Sicherheit an der Wand zer­ malmt.
    Vatanen stieß die Trümmer des Tisches in die Ecke, nagelte eine Decke vor die Fensteröffnung und wickelte sich ein Laken um den Bauch. Die Wunde schmerzte, das hatte der Bär immerhin geschafft.
    Vatanen nahm den
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