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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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und war dann doch in Jeans und T-Shirt zu dem Kino gegangen, vor dem er auf sie wartete. Ja, Thomas war der erste Mann gewesen, in den sie sich verliebt hatte. Der ihr wichtig gewesen war. Aber was aus dieser Liebe geworden war, hatte sie ja gesehen. Noch gestern hätte sie– wäre sie gefragt worden– im Brustton der Überzeugung gesagt, dass Männer und die Beziehungen zu ihnen völlig überbewertet seien und dass sie sich nichts Schöneres vorstellen könnte als ein selbst bestimmtes Leben, und zwar ohne Mann. Und vermutlich hätte sie hinzugefügt, dass der Typ, auf den sie sich eventuell einmal einlassen würde, erst noch geboren werden müsste.
    Und dann hatte er in ihrer Küche gestanden: Jan Plathe, ihr Lebensretter. Da stand er in seinen schwarzen Jeans und dem dunklen Hemd, mit seinen braunen Locken, die von ein paar grauen Fäden durchzogen waren, mit seinen unergründlichen Augen, die jetzt im Sonnenlicht– ja, der Regen hatte in der Nacht aufgehört– einen Grünschimmer hatten. Er stand einfach nur da, mit der italienischen Zwei-Personen-Espressokanne, die er gerade mit Kaffeepulver befüllt hatte, in der Hand.
    »Soll ich Sie vielleicht zum Arzt bringen? Möglicherweise brauchen Sie etwas für…«
    Ich brauche überhaupt nichts. Nur dich.
    In diesem Moment hatte sie wirklich nichts anderes gewollt, als seine Lippen auf den ihren zu spüren.
    Wieso steht er nur da? Wieso küsst er mich nicht? Wieso trägt er mich nicht ins Bett und …
    Ihre Gedanken hatten sich überschlagen und mit einer aufsteigenden Panik gemischt: Was, wenn ihr Retter möglicherweise einfach nur freundlich und besorgt gewesen war? Lediglich ein guter Mensch, der sich um jede andere Person genauso gekümmert hätte? Der in keiner Weise das Gefühl gehabt hätte, dass hier das Schicksal mit aller Wucht in das Leben zweier Menschen eingegriffen hatte? Vielleicht hatte er ja Frau, Kind und Hund zu Hause und überhaupt keinen Platz für eine Zufallsbekanntschaft.
    »Sind Sie eigentlich verheiratet?«
    Bevor sie den Satz zu Ende gedacht hatte, waren die Worte ihrem Mund entschlüpft. Wie entsetzlich peinlich! Und die Situation wurde durch ihr Gestammel auch nicht besser.
    »Ich meine, was denkt sich eigentlich Ihre Frau, nachdem Sie heute Nacht nicht nach Hause gekommen sind? Also, was ich sagen wollte… Es wäre mir nicht recht, wenn Sie meinetwegen vielleicht Probleme kriegen… Aber… Sie haben sie wahrscheinlich informiert, nicht wahr? Dass Sie auf mich aufpassen mussten, weil…«
    Er hatte sie einfach geküsst, hatte mit seinen Lippen ihren Redeschwall unterbrochen.
    »Mach dir keine Gedanken.«
    Ich soll mir keine Gedanken machen? Ist er verrückt geworden? Hilfe – ich kenne ihn gerade mal vierzehn Stunden, und ich bin ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
    » Vielleicht müssen Sie ja gehen? Ins Büro, meine ich. Oder…«
    »Willst du, dass ich gehe?«
    Jan hatte sie ein wenig von sich weggeschoben. Ein Lächeln lag in seinem Blick. Er wusste die Antwort, das war klar. Er wusste, dass sie nichts mehr wollte, als dass er bei ihr bliebe. Jetzt. Später. Morgen. Und in aller Zukunft.
    Hol Luft und nimm dich zusammen!
    »Nein«, hatte sie gesagt und darüber gestaunt, wie ruhig ihre Stimme plötzlich klang, ernst und erwachsen. »Nein, ich will nicht, dass du gehst.«
    »Gut! Das will ich nämlich auch nicht, Laura.«
    Und er war geblieben. An diesem Tag, den sie im Bett verbracht hatten, am nächsten und auch an allen darauf folgenden. Seit drei Monaten waren sie nie mehr als acht Stunden getrennt gewesen, jene acht Stunden, in denen Laura ihren Dienst im Krankenhaus tun musste. Eine Woche nach ihrer ersten Begegnung– der Regen war endlich in Schnee übergegangen und hatte München den ersehnten Winter gebracht– hatte Jan ihr gesagt, dass er sich nicht mehr vorstellen könne, ohne sie zu leben.
    »Willst du mich heiraten?«
    Sein Mund hatte gerade ihre Nackenlinie erforscht. Laura hatte im ersten Moment gedacht, sie hätte ihn nicht richtig verstanden. Es konnte doch nicht sein, dass er ihr einen Heiratsantrag machte, nachdem sie sich gerade mal sieben Tage kannten!
    »Wenn dir das zu schnell geht, können wir natürlich auch noch warten. Und wenn du zu den Frauen gehörst, die überhaupt nicht heiraten wollen, auch gut. Dann leben wir eben einfach nur zusammen. Bis ans Ende unserer Tage.«
    Seine Lippen hatten nach jedem seiner Worte einen Kuss auf ihren Arm gedrückt. Angefangen von der Handinnenfläche, über das
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