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Das Jahr der Kraniche - Roman

Das Jahr der Kraniche - Roman

Titel: Das Jahr der Kraniche - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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weiterleben, als wäre nichts geschehen. Sie alle hatten Schuld auf sich geladen, hatten gehofft, dass das Leben gnädig sein würde und dass sie die Vergangenheit hinter sich lassen konnten. Aber das Leben hatte Jan und Laura zusammengeführt. Und als die Dinge ihren Lauf nahmen, hatten die Schatten, die das Verbrechen auf sie geworfen hatte, sie alle zu verschlingen gedroht.
    »Das Haus hat zu viel Unglück gesehen. Wir sollten wegziehen.«
    Nachdem sie vier Wochen bei Lauras Mutter in München gewesen waren, die ihre Tochter umsorgt und wieder aufgepäppelt hatte, hatte Laura, die endlich eine strahlende Schwangere war, darauf bestanden, wieder nach Hause zu fahren. Sie standen vor dem Haus. Es war nur ein kleiner Schauder, der Laura über den Rücken lief, als sie an ihre Träume, an die unheimlichen Geräusche, an alle die merkwürdigen Dinge dachte, die sie ausgehalten hatte. Vielleicht hatte das Haus sie aufmerksam machen wollen auf das Verbrechen, das hier geschehen war. Vielleicht hatte es sie auch warnen wollen. Vielleicht war es aber auch der unerlöste Geist Julias gewesen, der sie berührt und darum angefleht hatte, dafür zu sorgen, dass das Verbrechen, das an ihr begangen worden war, gesühnt wurde.
    Es ist mein Haus. Ich hab es vom ersten Augenblick an geliebt.
    Das Haus konnte nichts dafür, was hier geschehen war. Es waren die Menschen gewesen, die hier gelebt hatten, die ihr Glück nicht finden konnten.
    »Ich will hier nicht weg.«
    Laura nahm Jans Hand und legte sie auf ihren Bauch. Er lächelte, als er fühlte, wie das Kind sich bewegte.
    »Glaubst du, dass wir das schaffen? Zu vergessen, was hier geschehen ist?«
    Es geht nicht darum, es zu vergessen. Alles, was geschehen ist, gehört zu unserem Leben. Das Gute wie das Schlechte. Nur wenn wir uns der Vergangenheit stellen, können wir sie überwinden. Wenn wir versuchen, sie zu verdrängen, wird sie in uns schwären wie eine eitrige Wunde. Tief in uns. Sie würde uns langsam vergiften.
    Jan spürte, wie sich Lauras Schultern strafften. Sie nahm entschlossen seine Hand und zog ihn mit sich. In das Haus, das von Anfang an ihres gewesen war. Sie würde dafür sorgen, dass das Glück hier endlich Einzug halten konnte. Er wollte es glauben. Er wollte nichts anderes, als daran zu glauben, dass das Schicksal es gut mit ihnen meinte.

VI. – März– ein halbes Jahr später

Der erste Schrei des kleinen Mädchens hallte durch das Haus. Er flog über den See hinweg und mischte sich mit den Trompetenklängen der Kraniche, die von ihrem Winterquartier zurückkamen und aus dem blauen Frühlingshimmel auf die Insel herabstießen.
    »Sie kommen gerade rechtzeitig, unsere Glücksvögel.«
    Laura beobachtete ihren Mann, der am Fenster des Eckzimmers stand und seine kleine Tochter, die in seinem Arm lag, voll fassungsloser, inniger Freude betrachtete. Es war alles gut.
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