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Das Jagdgewehr

Das Jagdgewehr

Titel: Das Jagdgewehr
Autoren: Yasushi Inoue
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eines Dichters.«
    Als ich das gelesen hatte, versuchte ich mir den Jäger ins Gedächtnis zurückzurufen, dem ich vor fünf Monaten auf meinem Spaziergang durch den Kryptomerienwald begegnet war, der, wie Misugi schrieb, nahe einem kleinen Badeort am Fuß des Amagi-Bergs auf der Izu-Halbinsel lag. Aber ich konnte mich nur mehr an den verschwommenen Eindruck erinnern, den der wunderlich einsam wirkende Rücken des Jägers in mir hervorgerufen hatte. Mir fiel ein, daß der Mann von großer Gestalt und mittleren Jahren gewesen war, aber auf sein Gesicht und irgendwelche Details seiner Erscheinung vermochte ich mich nicht mehr zu besinnen.
    Natürlich hatte ich ihn damals nicht allzu aufmerksam betrachtet. Er sah, während er mit seiner Flinte über der Schulter und einer Pfeife im Mund auf mich zuschritt, anders aus, als Jäger gewöhnlich sind. Irgend etwas Gedankenvolles war an ihm, und das erschien mir in der kalten Luft des frühwinterlichen Morgens wunderbar reinlich und frisch. Nachdem wir aneinander vorbeigegangen waren, wandte ich mich unwillkürlich um und sah ihm nach. Er verließ den Pfad, den er gekommen war, und schritt den ziemlich steilen Hang gemächlich hinauf, wobei er, als fürchte er, seine hohen Stiefel könnten ausgleiten, sorgfältig Fuß vor Fuß setzte. Als ich seiner entschwindenden Gestalt so nachblickte, kam er mir, wie ich das in meinem Gedicht auch zum Ausdruck brachte, plötzlich unsagbar einsam vor. Ich konnte sofort erkennen, daß die beiden Jagdhunde sehr wertvolle Setter waren, aber da ich mit der Jagd noch nie etwas zu tun gehabt hatte, ahnte ich natürlich nicht, welche Flinte er trug. In der Nacht, als ich das Gedicht schrieb, erfuhr ich aus ein paar Büchern, daß die besten englischen Jagdflinten die Typen Richard und Churchill waren, und daher ließ ich meinen Jäger eine Churchill auf der Schulter tragen. Dies war nun dank eines Zufalls eben die Flinte, die Misugi tatsächlich mitgeführt hatte. Obgleich mir Misugi schrieb, er sei der Held meines Gedichts, blieb er, der eigentliche Kern meiner Idee, doch weiter ein geheimnisvoll unbekanntes Wesen.
    In seinem Briefe hieß es weiter: »Vielleicht mißtrauen Sie mir, weil ich Ihnen mit so absonderlichen Dingen komme. Ich habe hier drei Briefe liegen, die man mir geschickt hat. Ursprünglich wollte ich sie verbrennen, aber nachdem ich Ihr wundervolles Gedicht gelesen hatte, war ich plötzlich entschlossen, sie Ihnen zu zeigen. Es täte mir leid, wenn ich die Ruhe Ihres Herzens störte, aber ich will sie Ihnen gleichwohl mit gesonderter Post einmal zugehen lassen. Ob Sie sie nicht in einer Mußestunde lesen könnten? Damit wäre ich zufrieden. Sie sollen doch wissen, wie das ›weiße Flußbett‹ aussieht, in das ein Mann namens Josuke Misugi einmal geblickt hat. Natürlich ist es sehr töricht, um jeden Preis von anderen verstanden werden zu wollen. Mir war das früher auch gleichgültig, aber als ich sah, daß Sie an einem Menschen wie mir doch irgendwie interessiert sind, war ich auf der Stelle entschlossen, Ihnen alles zu zeigen. Bitte, verbrennen Sie die drei Briefe nachher. Ich glaube, Sie sahen mich in Izu, kurz nachdem ich diese Briefe erhalten hatte. Am Jagen finde ich erst seit wenigen Jahren Gefallen. Ich bin zwar heute ein einsamer Mann, aber ich war früher, in meinem öffentlichen wie privaten Leben, sehr erfolgreich und glaubte, die Flinte über meiner Schulter nicht entbehren zu können. Verzeihen Sie mir, daß ich Ihnen dies alles schreibe, damit Sie mich besser begreifen.«
    Am übernächsten Tag trafen die drei angekündigten Briefe ein. Auf dem Umschlag, der sie enthielt, stand ebenso wie auf Misugis erstem Schreiben: »Josuke Misugi, Izu-Hotel«. Jeder der drei Briefe war von einer anderen Frau verfaßt worden. Ich las sie und – nein, ich möchte Ihnen lieber nicht mitteilen, was ich dabei empfand. Ich will diese Briefe nun hier abschreiben, doch vorher noch bemerken, daß ich, da Misugi offenbar eine hohe gesellschaftliche Stellung innehat, im Who’s Who, dann aber auch im Adreßbuch nach seinem Namen suchte, aber ihn nirgends fand. Ohne Zweifel hat er ein Pseudonym benutzt. Beim Abschreiben der drei Briefe füllte ich die vielen Stellen, wo die Tuschstriche seinen wahren Namen offenbarten, mit »Josuke Misugi« aus. Ich verwendete auch Pseudonyme für die anderen in diesen Briefen erwähnten Personen.

Brief von Shoko
    Lieber Onkel Josuke!
    Wie unheimlich schnell sind die drei Wochen vergangen, seit Mama
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